Der Wunsch nach Berauschung ist ein
biologisches Grundbedürfnis des Menschen,' das mit dem Wunsch nach Liebe und
Erotik auf der gleichen Ebene steht. Was aber ist ein Rausch?
Der Großteil der Menschen unserer Zeit
kennt als einziges Rauschmittel den Alkohol, und glaubt, dass der Suff allen
anderen Räuschen entspricht. Aber das Gegenteil ist der Fall. Keine andere
Droge wirkt so wie Alkohol. Der Alkoholrausch zeichnet sich durch anfängliche Erregung und Heiterkeit aus, wird aber bald zu einem Delirium, in dem sich die
Eigenwahrnehmung auflöst. und der Kontakt zur Außenwelt abbricht. Der
Alkoholrausch ist eine Betäubung mit nachhaltigen Gehirnschäden;
bezeichnenderweise heißt ein alkoholreiches Ale einer walisischen Brauerei Brain
Damage (Gehirnschaden). Andere Drogen - wie Hanf, Opium, Zauberpilze,
Bilsenkraut usw. - stimulieren Jas Gehirn, sie sind psychoaktiv, d. h., sie
aktivieren gewöhnlich unbewusste Inhalte der Psyche und führen dadurch zu einer
Steigerung der Wahrnehmung vom eigenen Bewusstsein. Räusche sind keine
"künstlichen Paradiese",' sondern natürliche Paradiese, denn
sie sind als Möglichkeiten menschlicher Erfahrung im Bewusstsein tief
verankert. Viele natürliche Räusche zeichnen sich durch kosmische Visionen,
tiefe Erfahrungen neuer und anderer Dimensionen, weitreichende Erkenntnisse,
Glückseligkeitsgefühle und Ekstasen aus. In den alten Kulturen wurden
Pflanzen,' die derart psychedelische, d. h. bewusstseinserweiternde Wirkungen
haben, als heilig verehrt, "Pflanzen der Götter" genannt und rituell
zum Nutzen der Menschen eingesetzt.' I3ie durch diese Pflanzen ausgelösten
Visionen trafen auf kulturelle Muster, die es den Menschen ermöglichten, ihre
einzigartigen Erfahrungen sinnvoll in das eigene spirituelle Wachstum zu
integrieren. Viele Völker konnten mit diesen Drogen umgehen und bewerteten sie dementsprechend
positiv. Drogen an sich sind wertfrei, sie sind weder gut noch böse. Lediglich
der Gebrauch der Drogen bestimmt, ob ihr Einsatz zum Nutzen oder Nachteil des
Menschen führt. Die alten Völker erkannten in den mit starken
Rauschmitteln versetzten Bieren
Ritualtrünke göttlicher Herkunft, die den Menschen in die Mysterien der Natur
einweihten. Selbst jene Biere, die nicht mit psychedelischen Zusätzen
aufgebessert worden waren, wurden in einigen alten Kulturen als ein göttliches
Rauschmittel betrachtet und mit Respekt rituell zum Wohle der Götter getrunken.
Aber in einer Welt, deren kulturelle
Wurzeln durch Christianisierung, Industrialisierung und Überbevölkerung
zerrüttet sind, können die Menschen weder mit dem psychedelischen Bier noch mit
dem allein durch den Alkoholgehalt berauschenden Bier umgehen. Die meisten
Drogentoten der modernen westlichen Welt sind keine Heroinopfer, sondern
Alkoholiker. Wenn ein Rauschmittel außerhalb eines kultischen Kontextes
missbraucht wird, hat es fast immer negative Auswirkungen. Wer besoffen vorm
Fernseher liegt, wird keine göttlichen Offenbarungen erleben. Der westliche
Mensch ist durch den gezielten, christlichen Einsatz von Alkohol,' einer echten
missionarischen Waffe, zu einem psychedelischen Analphabeten degeneriert. Es
wäre an der Zeit, dass man den Rauschbedürftigen dieser kaputten Gesellschaft
eine richtige Drogenberatung zukommen ließe. Vielleicht kann man damit
anfangen, im Bier wieder ein Geschenk der Natur zu sehen und damit die eigene
ökologische Abhängigkeit erkennen.
(Autor unbekannt, vermutlich entstammt der Beitrag dem Buch „Bier jenseits von Hopfen und Malz“ von Christian Rätsch. Bei Info über Autor und ggfs. Copyright bitte eMail an thomas [Admin hobbybrauer.de] senden.)