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Grutbier und die Berserker
Geschrieben am Freitag, 15. November 2002 von hobbybrauer

Interessantes zum Bier und Bierbrauen Das Wort Berserker kommt aus dem nordgermanischen Bersekr und bedeutet Bärenhäuter. Die Berserker konnten in Ekstase ihre menschliche Seele, die fylgja, in Gestalt wilder Bären oder Wölfe aussenden und nach Belieben handeln lassen. „Festgewurzelt ist der Glaube der heidnischen Germanen an die Zwiegestaltigkeit des Menschen. In ihm wohnte ein zweites Ich. Das ist die fylgja, das Folgevesen ... Sie ist körperlich, kann handeln, sprechen, ja auch getötet werden, kann auch den Körper verlassen und zeigt sich bald in Menschen-, bald in Tiergestalt. Trotz der Entfernung von dem eigentlichen Körper ist die Fylgjengestalt immer an diesen gebunden, und was dieser geschieht, geschieht auch ihm. So besteht zwischen dem Körper und der Fylgje der innigste Zusammenhang. Durch den Mund schlüpft sie im Hauch aus diesem, nimmt sogleich körperliche Gestalt an und kehrt in dieser auch zum Körper zurück.

In der Yng lingssaga heißt es, die Berserker "gingen ohne Panzer in den Kampf; toll wie Hunde oder Wölfe; sie bissen in ihre Schilde und waren stark wie Bären oder Stiere; sie mähten ohne Unterschied nieder, und weder Feuer noch Eisen taten ihnen etwas". Sie waren die erwählten Krieger aus dem magischen Heer des Gottes der Raserei Odin/Wotan, der auch den Beinamen Herjan, "Herr der Krieger", trägt. Ihm hatten sie ihr Selbst geopfert, um angstfrei und bärenstark zu werden. Für sie war der Tod kein schreckenerregender Feind, er war das ersehnte Tor nach Walhall, wo bis ans Ende der Welt, bis zur Götterdämmerung, das Lieblingsgetränk der Berserker, das Bier, in Strömen floss.

Die Berserker der Wikingerzeit waren oft Einzelgänger und blieben in cognito, denn sie verloren ihre magischen Kräfte, wenn sie bei ihrem Namen gerufen wurden. Sie tauchten wie aus dem Nichts auf und fielen als ungebetene Gäste und Wegelagerer in Häuser und Höfe ein. Häufig kamen sie in der Julnacht. Den Berserkern, die in feindlicher Absicht gekommen waren, die aber nach den Regeln der germanischen Gastfreundschaft wie alle anderen Besucher bewirtet werden mussten, gab man besonders kräftig berauschendes Starkbier zu trinken. Leider verfielen sie im angetrunkenen Zustand nicht immer in den Schlaf, sondern in ihre sprichwörtliche Rauflust.

Die Berserker kannten einen Zaubertrank, der sie in Zustände besonderer Kraft, Kompromisslosigkeit und Gleichgültigkeit versetzte. Manche Forscher stellten die Theorie auf, dass es der Fliegenpilz war, der den Berserkern sowohl die enorme Körperkraft verlieh, als auch die Verwandlung in ein 1ier, den Bären oder Wolf, ermöglichte. Die pharmakologische und ethnologische Erforschung des Fliegenpilzes hat allerdings ergeben, dass dieser denkbar ungeeignet ist, die für die Berserkerwut typischen Wirkungen zu erzeugen.

Von alkoholischen Getränken, namentlich vom Bier, weiß man, dass es "die fast berufsmäßige Tollheit mancher leidenschaftlicher Raufer in gewissen Gegenden, besonders in Bayern und Tirol, die gleich den wikingischen Berserkern um jeden Preis anbandeln wollen", stimuliert. "Auch tirolische Frauenzimmer können in solche unbändige, wahnsinnige Raserei verfallen und, alles scheltend, mit zerrauften Haaren und zerrissenen Kleidern herumlaufen." Wohl jeder hat schon Besoffene gesehen, die übermäßig kräftig gewütet haben und sehr zerstörerisch auf ihre Umwelt einwirkten.

Die Droge der Berserker war während der Wikingerzeit ein starkes Bier, das mit dem Zusatz einer oder mehrerer Pflanzen gebraut wurde. In Schweden wurde zur Wikingerzeit das Bier aus gemälztem oder ungemälztem Getreide, meist aus Weizen, und einem Zusatz von Sumpfporst hergestellt. Da dieses Bier nur kurze Zeit haltbar war, wurde es meist zu festlichen Anlässen wie Opferfeiern und für Trinkgelage gebraut und bis zur Neige ausgetrunken. Dieses Bier ist unter dem Namen Grutbier bekannt. Grut ist der mittelgermanische Name des Sumpfporst oder wilden Rosmarin (Ledum palustre). Das Brauen von Grutbier ist bereits für das 5. Jahrhundert belegt. Der Höhepunkt der Grutbierproduktion fällt ins 13. Jahrhundert, also auf das Ende der Wikingerzeit. Das Grutbier war selbst in den südgermanischen Gegenden, im Rheinland, in Norddeutschland und England, bekannt und beliebt. In Norddeutschland gab es sogenannte Gruthäuser, Gaststätten, die auf den Ausschank von Grutbier spezialisiert waren. Die Herstellung von Grutbier war in Mecklenburg, wo sich sehr lange heidnische Traditionen erhalten haben, noch im 17. Jahrhundert verbreitet. Die Verwendung von Sumpfporst als Bierwürze wurde dort wiederholt verboten, zuletzt 1623 und 1661. In Norwegen und Schweden lässt sich der Sumpfporst als Bierzutat bis ins 20. Jahrhundert nachweisen.

Im Mittelalter verstand man unter Grut oder auch gruit nicht nur den Sumpfporst und das daraus bereitete Bier, sondern auch ganz allgemein die Würze eines kräftig berauschenden Bieres. Oft bestand die Würze nicht nur aus einer Ingredienz, sondern war eine Kombination verschiedener Kräuter. So wurde der Gagel, eine damals viel verwendete Bierwürze, oft mit dem Sumpfporst gleichgesetzt oder vermischt. Weitere Kräuter, die in die Grutwürze gelangten, waren Wacholderbeeren, Schafgarbenkraut, Anis und Ingwer.

Wir wissen nur sehr wenig über die tatsächlichen Grutbierrezepte, da zu Beginn der Buchdruckerei die Gruiter, die Grutbierbrauer, schwören mussten, "alle geheimnises des Rades und gruithauses" zu bewahren. In einer Quelle von 1575 heißt es allerdings: "Von Rosmarin Kraut [Sumpfporst] richtet man ein edel Bier zu, dasz die andern alle an Farbe, Geschmack und Krafft übertrifft ... Disz Bier staerket wunderbarlich und gewaltig.

In den ältesten skandinavischen Quellen zum Bier und Bierbrauen wird immer wieder das Grutbier als Ursache für die Berserkerwut angeführt.

"Aufkommender Streit artete oft in Bluttaten aus. In gewissen Gegenden von Smaland banden sich die Zweikämpfer nach alter Sitte mit dem Gürtel zusammen, aus dem sie nicht früher freigemacht wurden, bis einer der Zweikämpfer durch das Messer erledigt war. Die Frauen pflegten deshalb das Totenlinnen mitzunehmen, wenn sie ihre Männer zu Trinkgelagen begleiteten.

Der Sumpfporst hat dem Grutbier nicht nur einen aromatischen Geschmack gegeben, sondern auch dessen Wirkung verstärkt und verändert. Der Sumpfporst enthält ein ätherisches Öl, das stark berauschend wirkt und in höheren Dosierungen zu Krämpfen, Wut und Raserei führt.

Johannes Praetorius (1630 - 1680) hat dargelegt, dass sich Menschen mit Hilfe von Bier in Wölfe, genauer gesagt in Werwölfe, verwandeln können.

"Wenn einen der Vorwitz sticht, dass er begehrt ... in die Versammlung solcher vermaledeiten Menschen (die sich zu Wölfen machen, wann sie wollen) aufgenommen werden will ... so mag er mittels eines in solcher Zauberei Erfahrenen die Gewalt, sich zu verwandeln wider die Natur, erlangen, indem ihm ein Becher Bier gereicht wird, welchen er austrinken und etliche teuflische Worte dazu sprechen muss. Danach, wenn es ihm gut dünkt, geht er in den Keller oder in den Wald und verkehrt die menschliche Gestalt in einen Wolf, welche Wolfsgestalt er hernach, wenn es ihm gefällt, wiederum verlässt und in die alte Menschenhaut schlüpft.

"Es versammelt sich allewege eine große Schar der Menschen, die zu Wölfen werden in der heiligen Christnacht, welche dieselbe Nacht grausam wüten, nicht allein wider das Vieh, sondern auch wider das menschliche Geschlecht selbst, so dass die Einwohner desselben Landes viel verderblicheren Schaden empfangen von den verwandelten Menschen als von den Wölfen selbst. Denn die Erfahrung gibt Zeugnis, dass sie stürmen der Menschen Häuser und Wohnungen in den Wäldern in grausamer Gestalt; unterstehen sich Tür und Tor einzustoßen, um Vieh und Leute zu erwürgen; laufen in die Bierkeller, saufen alle Fässer mit Bier und Met aus, wonach sie die leeren Fässer mitten im Keller aufeinanderlegen, um sich von den echten Wölfen unterscheiden zu lassen.

(Autor unbekannt, vermutlich entstammt der Beitrag dem Buch „Bier jenseits von Hopfen und Malz“ von Christian Rätsch. Bei Info über Autor und ggfs. Copyright bitte eMail an thomas [Admin hobbybrauer.de] senden.)

 

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