Colin schreibt:
"Thomas hat mit der Veröffentlichung der Mitteilung der "Gesellschaft für Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Brauwirtschaft e.V." das Thema unter "Nicht nur sauber, sondern rein" bereits angeschnitten; hierzu möchte ich folgendes hinzufügen:
Meines Erachtens ist das Reinheitsgebot mittlerweile kaum mehr als ein Mittel der Bierindustrie, die versucht ihre Kundschaft zu verblenden, und damit auch eine Art Protektionismus gegenüber ausländischen Biersorten. Daß nur Gerste, Wasser und Hopfen verwendet werden sollten, sagt nichts über die Qualitäten solcher Zutaten hinaus, etwa das sie nicht genmanipuliert oder chemisch verunreinigt sein sollten. Es wird auch nicht bestimmt wie das Wasser zu sein hat.
Ist das Gebot nicht von der EG längst aufgehoben worden?
Die Suchmaschine Google listet ca. 16.300 Eintragungen zum Thema "Reinheitsgebot". Ich werde sie nicht alle durchforsten können, aber hier sind einige wenige Meldungen die ich als lesenswert bezeichnen würde:
http://www.bierwart.de/reinheit.php
Das Reinheitsgebot im Original:
Item wir ordnen, setzen und wollen mit Rathe unnser Lanndtschaft das füran allenthalben in dem Fürstenthumb Bayrn auff dem Lande auch in unsern Stettn vie Märckthen da deshalb hieuor kain sonndere ordnung gilt von Michaelis bis auff Georij ain mass oder kopffpiers über einen pfennig müncher werung un von Sant Jorgentag biß auf Michaelis die mass über zwen pfennig derselben werung und derenden der kopff ist über drey haller bey nachgeferter Pene nicht gegeben noch außgeschenckht sol werden. Wo auch ainer nit Merrzn sonder annder pier prawen oder sonst haben würde sol erd och das kains weg hüher dann die maß umb ainen pfennig schenken und verkauffen. Wir wollen auch sonderlichen dass füran allenthalben in unsern stetten märckthen un auf dem lannde zu kainem pier merer stückh dan allain gersten, hopfen un wasser genommen un gepraucht solle werdn. Welcher aber dise unsere Ordnung wissendlich überfaren unnd nie hallten wurde den sol von seiner gerichtsobrigkait dasselbig vas pier zustraff unnachläßlich so offt es geschieht genommen werden. jedoch wo ain brüwirt von ainem ainem pierprewen in unnsern stettn märckten oder aufm lande jezuzeitn ainen Emer piers zwen oder drey kauffen und wider unnter den gemaynen pawrfuolck ausschenken würde dem selben allain aber sonstnyemandes soldyemaßs oder der kopfpiers umb ainen haller hüher dann oben gesetzt ist zugeben un ausschencken erlaube unnd unuerpotn.
(Mein Tipp: Fünf Weizen trinken und nochmals lesen!)
Und hier eine Übersetzung:
Wie das Bier im Sommer und Winter auf dem Land ausgeschenkt und gebraut werden soll
Wir verordnen, setzen und wollen mit dem Rat unserer Landwirtschaft, daß forthin überall im Fürstentum Bayern sowohl auf dem Lande wie auch in unseren Städten und Märkten, die keine besondere Ordnung dafür haben, von Michaeli bis Georgi eine Maß oder ein Kopf Bier für nicht mehr als einen Pfennig Münchener Währung und von Georgi bis Michaeli die Maß für nicht mehr als zwei Pfennig derselben Währung, der Kopf für nicht mehr als drei Heller bei Androhung unten angeführter Strafe gegeben und ausgeschenkt werden soll. Wo aber einer nicht Märzen, sondern anderes Bier brauen oder sonstwie haben würde, soll er es keineswegs höher als um einen Pfennig die Maß ausschenken und verkaufen. Ganz besonders wollen wir, daß forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen. Wer diese unsere Androhung wissentlich übertritt und nicht einhält, dem soll von seiner Gerichtsobrigkeit zur Strafe dieses Faß Bier, so oft es vorkommt, unnachsichtlich weggenommen werden.
Wo jedoch ein Gauwirt von einem Bierbräu in unseren Städten, Märkten oder auf dem Lande einen, zwei oder drei Eimer Bier kauft und wieder ausschenkt an das gemeinsame Bauernvolk, soll ihm allein und sonst niemand erlaubt und unverboten sein, die Maß oder den Kopf Bier um einen Heller teurer als oben vorgeschrieben ist, zu geben und auszuschenken. Auch soll uns als Landesfürsten vorbehalten sein, für den Fall, daß aus Mangel und Verteuerung des Getreides starke Beschwernis entstünde (nachdem die Jahrgänge auch die Gegend und die Reifezeiten in unserem Land verschieden sind), zum allgemeinen Nutzen Einschränkungen zu verordnen, wie solches am Schluß über den Fürkauf ausführlich ausgedrückt und gesetzt ist.
(Nochmals zwei Weizen!)
Als Ergänzung hierzu geht hervor:
http://www.neuwirt-oderding.de/Reinheitsgebot/reinheitsgebot.html
In der Freien Reichsstadt Nürnberg verbot bereits 1290 eine Verordnung den Brauern mit Hafer, Weizen, Roggen und Dinkel ihr Bier zu brauen. Als Braugetreide war nur Gerste erlaubt. Fälschlicherweise wird manchmal diese Verordnung als ältestes Reinheitsgebot gedeutet. Tatsächlich war der Erlaß jedoch nur dazu da, zu verhindern, dass wertvolles Brotgetreide zum Brauen "mißbraucht" wurde. Das tatsächliche Reinheitsgebot geht auf Bayernherzog Wilhelm IV. zurück, der die (relativ radikale) Verordnung im Jahre 1516 im Landtag von Ingolstadt verabschiedete. Ursache dafür war wohl hauptsächlich die Qualität des damaligen "Bieres". So waren seinerzeit Gewürze, Obst, Kräuter und Unkräuter wie Anis, Brabanter Myrte (Gemeiner Gagel), Eichenblätter, Efeu (giftig!), Der ebenfalls giftige Samen der Herbstzeitlosen, Himbeeren, Holunderbeeren, Kreuzkümmel, Kümmel, Lavendel, Löwenzahn, Lorbeer, Melisse, Minze, Muskat, Pfirsichblätter, Pflaumen, Rosenblätter, Rosmarin, Schlüsselblumen, Sumpf-Porst (wilder Rosmarin), Wacholderbeeren und Zitrone beim Brauen gang und gäbe. Dabei hatte der Einsatz unterschiedliche Gründe, z. B. wurden manche Stoffe als Hopfenersatz genommen, manche ihrer Rauschwirkung zuliebe, andere zur Verlängerung der Haltbarkeit. Dass das damalige Bier geschmacklich nicht viel mit unserer heutigen Vorstellung davon gemeinsam hat, kann sich jeder leicht vorstellen. Hierin ist nun wohl die Ursache des Mißstandes zu sehen, der zu dem führte, was uns heute als Reinheitsgebot bekannt ist.
Ron Pattinson betreibt eine interessante Website "Bier in Europa" unter