Einer der größten Irrtümer der
offiziellen Biergeschichte ist die Etymologie des Wortes Pilsener, worunter
ein stark gehopftes, helles Bier verstanden wird. Der Name leitet sich nämlich
nicht von dem tschechischen Plzen (= Pilsen) ab, sondern von der ursprünglich
dieser Bierart beigemischten Pflanze, dem Bilsenkraut, das früher Pilsener
krut hieß, worauf auch die noch heute gebräuchliche Schweizer Bezeichnung
für das Bilsenkraut, Pilsenkraut, hinweist. Aus dem mit Pilsener krut
gebrauten Bier wurde das Pilsener Bier, das Bilsenkrautbier. Bilsenkraut
war bei den Ägyptern und Griechen, bei den Kelten und Germanen eine Pflanze der
Götter gewesen, also das rechte Gewürz für einen Trank für die Götter. Die
okkulte Astrologie ordnet das Bilsenkraut dem Sternbild Widder zu; den Römern
galt es als eine Pflanze Jupiters. Es war vielleicht der wirksame Bestandteil
des Ur-Bockes.
Bilsenkrautsamen wurden schon im
Altertum, so in Ägypten, dem Bier zugesetzt. Die Griechen verstärkten die
Wirkung ihres Weines durch Bilsenkraut. Das Bilsenkrautbier erfreute sich bei
den Germanen großer Beliebtheit, denn es berauschte auf eine ganz besondere
Weise. Es versetzte in einen trunkenen Taumel, in dem Bilder der Seele
aufstiegen und sich zu mystischer Schau verdichteten. Bilsenkrautbier konnte
Halluzinationen auslösen, aber auch als Liebestrank wirken. Die Wirkungsweise
war von der Dosierung abhängig.
Noch im mittelalterlichen Europa diente
das Bilsenkraut zur Aufbesserung des Bieres. Aber mit Beginn der Neuzeit wurde
dieser Brauch von Staat und Kirche bekämpft. 1507 wurde den mittelfränkischen
Bauern verboten, Bier mit Bilsensamen und anderen "den Kopf toll machenden
Kräutern" zu versetzen. In der Bayerischen Polizeiverordnung von 1649 hieß
es: "Wer aber andere Kräuter und Samen, fürnehmlich Bilsen in das Bier
tut, der soll, wie auch der Verkäufer solcher Kräuter, nach Ungnaden bestraft
werden." Zu jener Zeit galt das Bilsenkraut weithin als Hexenpflanze und
als teuflische Ingredienz verderbenbringender Hexentränke.
Noch in der frühen Neuzeit hieß es:
"Jungen Leuten, die als Neumitglieder in eine der Gruppen aufgenommen
wurden, die sich der Hexerei verschrieben hatten, verabreichte man oft ein
Bilsenkrautgetränk; sie ließen sich dann leicht zu den Ritualen verleiten, die
der offiziellen Aufnahme in einen Hexenzirkel voranging."
In deutschsprachigen Gebieten wurden bis
zum 17. Jahrhundert von Brauereien Bilsenkrautkulturen angelegt. Die Pflanze
sollte die Wirkung sogenannter "schwacher" Biere aufbessern.
In der von Bauhin bearbeiteten
Tabernaemontanus-Ausgabe von 1731 steht geschrieben:
"Die aber
die mit Bilsensaamen
Indianischen Kokkelkernen und dergleichen Stücken
bereitet werden / soll niemand trincken
dann diejenigen so das Leben verwircket haben
dann die bringen Hürnwüten
Unsinnigkeit und Bissweilen den jähen Tod.
Demzufolge gab es im 18. Jahrhundert
immer noch Bilsenkrautbier, das echte Pilsener. Selbst im 19. Jahrhundert, als
schon das falsche Pilsener erfunden worden war, haben deutsche Brauer ihre
Biere mit Bilsensamen veredelt."
(Autor unbekannt, vermutlich entstammt der Beitrag dem Buch „Bier jenseits von Hopfen und Malz“ von Christian Rätsch. Bei Info über Autor und ggfs. Copyright bitte eMail an thomas [Admin hobbybrauer.de] senden.)