In der westafrikanischen Savanne leben Bauernvölker, deren Landwirtschaft auf dem
Hirseanbau beruht. Sie verbrauchen eine gute Hälfte der Getreideproduktion in
Form eines leicht alkoholhaltigen Bieres (2 bis 4 %), das nur von den Frauen
hergestellt und verkauft werden darf. Die Herstellung dauert etwa zehn Tage und
wird auf handwerkliche Weise durchgeführt. Es wird im Gehöft der Brauerin
verkauft, das dadurch ein wichtiger Ort des sozialen Austausches wird. Eine Frau,
die selbstgebrautes Bier verkauft. hat ein überdurchschnittliches Einkommen.
Der größte Teil der Produktion wird jedoch im Laufe von zahlreichen und langen
Festen, die die jahreszeitlichen Gemeinschaftstätigkeiten gliedern, getrunken,
wobei der Hirsebierkonsum das soziale Leben animiert und gleichzeitig
reguliert. Die vorliegende Arbeit beruht auf Untersuchungen in Obervolta. die
der Verfasser 1980 bei den Gurunsi von Sili, bei den Bwaba von Hunde und bei
den Mosi von Ouagadougou durchgeführt hat.
In
der afrikanischen Savanne leben Bauernvölker, deren Landwirtschaft auf dem
Hirseanbau beruht. Sie verbrauchen die Hirse entweder in der festen Form des to
(Hirsekloß, der aus im Wasser gekochten Mehl besteht) oder in der flüssigen
Form eines schwach alkoholhaltigen Bieres (2 bis 4 % ) das je nach der Gegend dolo
oder tiapaio genannt wird.
Nach
der tiefgreifenden Verankerung des Hirsebiers im gegenwärtigen sozialen und
religiösen Leben zu urteilen, ist der Gebrauch. dieses Getränkes gewiss sehr
alt, wahrscheinlich ist er so alt wie der Hirseanbau bei den Altnigritiern,
(2000 v. Chr. ?). Mündliche Gurunsi- und Bwaba-Überlieferungen erzählen, dass
die Herstellung des dolo und des to der Frauen vom Schöpfergott
selbst (Bwaba Do Gurunsi Ibiu) gelehrt worden sei. Seit dieser Zeit aßen die
Menschen gekochte Nahrung. Erst da wurden sie wahrhaftige Menschen, d. h. sie
verloren den Schwanz und das Fell, die sie bis dahin trugen.
Im
allgemeiner wird die rote Hirse (Sorghum) verwendet, denn sie ist ertragreicher
als die „weiße“ oder „kleine“ Hirse (Penisetum); die rote Hirse wird
jedoch für die Herstellung des Hirsekloßes (to), der die
Nahrungsgrundlage der sudanischen Bauern bildet, weniger geschätzt, als die
beiden anderen Sorten.
Um
die Qualität des Bieres zu verbessern, insbesondere um dessen Alkoholgehalt zu
erhöhen kann man „weiße“ mit roter Hirse mischen bzw. ausschließlich „weiße“
Hirse benutzen, deren Zuckergehalt höher und deren Aroma ausgeprägter ist, die
Benutzung der kleinen Hirse, die den besten to ergibt ist unüblich. Nur
wenn die Hirseernte außerordentlich gut ausgefallen ist, d. h.wenn die
Familie einer Bierherstellerin mindestens 1000 tine Hirse geerntet hat
verwendet sie gelegentlich auch die „kleine“ Hirse (tine = 6 kg).
Die
Zubereitung des dolo dauert ungefähr zehn Tage. Die Bierherstellung ist
ein ausschließlich weibliches Privileg. Die handwerkliche Produktion erfolgt
ebenso wie die industrielle in vier Phasen, nur dass dort anstelle von Hirse
Gerste verwendet wird: die vier Arbeitsgänge sind Mälzen, Darren, Brauen und
Gären.
Das
Malz wird durch die Keimung der Hirse gewonnen. Dazu füllt man anderthalb tine
(= 24 kg) Hirse in einen 150 bis 200 Liter fassenden Tonkrug. Dann wird
soviel Wasser hinzugefügt, dass der Wasserspiegel ein wenig über der Hirse
steht. Nach etwa zwei Tagen wird die Hirse aus dem Wasser genommen. Das Wasser
wird weggeschüttet und die feuchte Hirse kommt zum Keimen zurück in den
Tonkrug.
Bei der Keimung muss darauf geachtet werden, dass die
Körner nicht austrocknen. Nach zwei bis drei Tagen haben sich ein Zentimeter
lange Keime gebildet. Nun breitet die Bäuerin die gekeimten Hirse auf dem Boden
auf einer Strohmatte oder auf einer Terrasse in der Sonne aus. Das Trocknen
dauert je nach Jahreszeit drei bis fünf Tage.
Die gekeimte und getrocknete Hirse ist haltbar und kann auf Vorrat
hergestellt werden. Wenn sie gebraucht wird, wird sie in einem Holzmörser
zerstampft und anschließend mit einem Reibstein ganz fein gemahlen. Dann wird
das Mehl in große Tonkrüge geschüttet (je anderthalb tine pro Behälter),
die zu drei Viertel mit Wasser aufgefüllt werden. Das Gemisch wird kräftig mit
einem großen Holzlöffel umgerührt; es wird etwa einen Tag lang gekocht. Man
lässt die Mischung kalt werden und ausruhen und schöpft mit einer Kalebasse die
Keime ab, die sich durch das Mahlen vom Korn getrennt haben und an der
Oberfläche schwimmen.
Danach wird die Mischung erneut einen halben Tag lang gekocht. Das
geschieht auf einem speziellen Herd aus getrocknetem Lehm, in dem drei bis sechs
80 bis 100 Liter fassende Tontöpfe eingebaut sind. Es wird mit Holz geheizt.
Während des Garens muss ständig kräftig gerührt werden, damit sich keine
Klumpen bilden. Am Ende des Kochvorganges wird gestoßene Rinde von Grewia
flavescens und Hibiscus esculentus hinzugefügt, was die Klärung der
Brühe beschleunigt. Nach dem Klären wird die Flüssigkeit in ein anders Gefäß
geschöpft. Der trübe und dicke Bodensatz wird durch ein Strohsieb gefiltert.
Der Trester wird als Futter für die Haustiere (Schweine, Schafe) benutzt.
Der letzte Kochvorgang dauert schließlich zwei bis drei Tage ohne
Unterbrechung. Nach dem Erkalten wird die klare Flüssigkeit mit einer Kalebasse
umgeschöpft. Der Bodensatz, der sich erneut gebildet hat, wird weggeworfen. Ein
Teil dieser noch süßen Flüssigkeit wird manchmal direkt verbraucht, vor allem
von Kindern, Mädchen und Muselmanen.
Erst durch das Gären wird dieses Getränk zu Bier. Dazu wird Hefe
zugesetzt, die im vorangegangenen Herstellungsprozess gewonnen und aufbewahrt
wurde. Am Boden des Biergefäßes bildet sich ein pastoser milchiger Rückstand,
der in der Sonne getrocknet und in kleinen Brocken an einem gut belüfteten Ort
der Weiterverwendung harrt.
Bevor die Hefe der zu vergärenden Flüssigkeit hinzugefügt wird, muss sie
in einer kleine Kalebasse mit Wasser verdünnt werden. Wenn die Bierherstellerin
keine Hefe zurückgewonnen hat, oder wenn die Hefe, die sie aufbewahrt hatte,
verdorben ist, kann sie entweder welche von einer anderen Bäuerin kaufen oder
aus der natürlichen Gärung von Bohnenmehl (nebie) gewinnen.
Der gärenden Flüssigkeit fügt die Bäuerin verschiedene, oft geheim
gehaltene Zutaten hinzu, die den Geschmack verbessern sollen, so dass jede Frau
ein sehr persönliches Bier herstellt. Bei den Zutaten handelt es sich im
allgemeinen um Rinde (Acacia campylacantha), Früchte (Balanites
aegyptica) oder Samenkörner (Datura stramonium). Bestimmte
Volksstämme (Bwaba, Bobo) fügen bei Begräbnisfeiern Honig hinzu und erreichen
dadurch einen höheren Alkoholgehalt (8 bis 10 % bei Zusatz von Honig gegenüber
2 bis 4 % für normales dolo).
Die Gärung dauert eine Nacht. Am folgenden Morgen kann das Bier
verbraucht werden; es bleibt ungefähr 24 Stunden zum Verzehr geeignet. Nach
diesem Zeitraum wird es zu sauer. Wenn etwas übriggeblieben ist, was selten
genug vorkommt, muss es weggeschüttet werden. Es ist keine traditionelle
Technik bekannt, die die Stabilisierung des Hirsebieres und dadurch längere
Haltbarkeit ermöglicht.
(Dieser Text basiert auf dem Artikel "Hirsebier in Westafrika" von Michel Voltz. Die Quelle des Artikels ist unbekannt)