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Saures Bier
Geschrieben am Freitag, 16. Januar 2004 von hobbybrauer

Interessantes zum Bier und Bierbrauen Hubert Hanghofer hat einen interessanten Artikel zu saurem Bier und Desinfektion von Braumaterialien im Hausbrauer-Forum (HBF) geschrieben...


"Liebe Braugemeinde,

hallo Hartmut,



bedingt durch meine Aktivitäten habe ich viel persönlichen Kontakt zu
Hobbybrauern im deutschsprachigen Raum und werde oft um Rat gefragt,
wenn sich Probleme beim Brauen ergeben. Dabei bekomme ich auch
"Problembiere" zu verkosten ...die ich natürlich austrinke, weil man ja
als Gast höflich sein will ;-) Ich schau mir aber die jeweilige
Brauumgebung sehr genau an und meine Erfahrungen lassen sich ganz
einfach auf den Punkt bringen:



Zwei Dinge treten in diesem Leben "todsicher" ein:

1.) Irgendwann stirbt jeder!

2.) Bierstein im Kaltbereich ergibt SAURES BIER!!!



zu 1.)

Saures Bier ist sehr gesund! Diese Erkenntnis erleichtert einem das
"höfliche" Problembierverkosten ungemein! Einige Lactobazillen-Stämme
produzieren zwar Histamine, die bei empfindlichen Personen allergische
Reaktionen (verstopfte Nase) auslösen können, aber davon stirbt man
nicht gleich ;-)



zu 2.)

OK, man kann bei geringfügigen Ablagerungen durch iodhältige
Desinfektionsmittel, exzessive Hopfung (IPA) oder untergäriger, kalter
Gärführung über die Runden kommen ...und wenn man für das fertige Bier
ausreichend Kühlkapazitäten hat, mag es durchaus sein, dass man die
Haltbarkeitsgrenze (Abfall pH unter 4.0-4.1) nie erreicht. Das darf
aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Lactobazillen bei Auftreten von
"Bierstein im Kaltbereich" immer anwesend sind und auf Ihre Chance
(=bessere Lebensbedingungen) warten!



Oft treten erste "Anflüge" von Bierstein in Form von hauchdünnen,
milchig / gelblich / bräunlichen Ablagerungen erst nach Jahren auf,
wirken dann aber als Kristallisationskeime und wachsen rapide zu
mm-dicken Schichten an! Betroffen sind vor allem unpolierte
Edelstahloberflächen, Schweißnähte, Übergänge, Fugen, Hähne
(Kugelhähne!), Steigrohre, aber auch Kunststoffe, kaum jedoch Glas!
Großflächige Ablagerungen auf Edelstahl kann man zwar mechanisch
abscheuern, aber Fugen und Schweißnähte sind dann meist schon sehr
stark betroffen und mechanisch NICHT zugänglich! Oft erkennt man das
Problem auch nur, wenn man diese kritischen Bereiche sehr sorgfältig
unter die Lupe nimmt!



Bemerkt man einen "Anflug" von Bierstein, hilft nur mehr eine radikale
saure Reinigung. Geeignete Zubereitungen sind in Brauereien und
Molkereien erhältlich. Es handelt sich meist um Mischungen von
Phosphorsäure und sauren Tensiden (Alkylphenolsulfonsäuren), manchmal
sogar mit Zusätzen von Salpetersäure.



Ich hatte dieses Problem vor genau einem Jahr in 3-4 Jahre alten
Cornelius-Kegs, NICHT im 5 Jahre alten KUNSTSTOFF-Gärbehälter und NICHT
in den parallel abgefüllten Glasflaschen! Erst durch Inspektion der
Schweißnähte mit einer starken Stablampe entdeckte ich die Ursache und
nachdem ich den Lactos in ihrem Biersteinpanzer ordentlich saures
gegeben habe, ist das Problem gegessen!



Dauerhaft verhindern kann man das Aufkommen von Bierstein nur durch
Einlegen einer sauren Reinigungs- bzw. Desinfektionsstufe. Auf eine
alkalische Reinigung des Gärbehälters kann zur Ablösung von Hopfenharz
und Eiweißrückständen nicht verzichtet werden, aber gegen oxalathältige
Biersteinablagerungen sind alkalische Reiniger völlig wirkungslos.



Das Problem ist, dass viele Hobbybrauer nur alkalisch reinigen bzw.
desinfizieren (Chlorbleichlauge). -Wenigstens 2x / Jahr sollte eine
zusätzliche saure Grundreinigung erfolgen. Zur Not tut's dafür auch
Zitronensäure. Auf gar keinen Fall darf dabei Chlorbleichlauge mit Säure
in Berührung kommen - das würde zur Freisetzung von Chlorgas führen -
der vermutlich häufigsten Ursache für Vergiftungsunfälle!!!



Selbstverständlich gibt es auch andere Gründe für Infektionen mit Lactos
und ich behaupte NICHT, dass Hartmut ein Biersteinproblem hat! Dieser
Zusammenhang hat sich für mich lediglich als besonders signifikant
herausgestellt und daher wollte ich darauf hinweisen!



Nachweisen lassen sich Lactoinfektionen neben dem pH sehr leicht mit
einem Mikroskop - allerdings nicht mit einem Spielzeugmikroskop. Die
Länge der Stäbchen beträgt oft über 10 µm und wäre kein Problem,
allerdings ist der Durchmesser so gering (<1µm), dass sie bei schlechter
Auflösung des Objektivs gar nicht abgebildet werden können!



Für die Lokalisierung derartiger Probleme ist auch immer ein
Würzestabilitätstest angesagt! Vor Hefegabe 100 mL der fertig gekühlten
Stammwürze (vor dem Anstellen mit Hefe ;-) in ein steriles Glasgefäß
überführen und bei ca. 25°C aufbewahren. Zeigt sich innerhalb von 3
Tagen keine biologische Aktivität, dann ist die Würzequalität 1A und
das Problem liegt im Gärbereich (Fässer, Gärbehälter) oder bei der
Hefe! Mit 2 Tagen KANN man bei optimaler Hefequalität über die Runden
kommen, bei einer Stabilität von 1 Tag sind Hopfen und Malz verloren!



Acetobakter Infektionen als Ursache für saures Bier sind bei normalem
Gärverlauf auszuschließen. Sie unterscheiden sich deutlich im Geruch
und Geschmack von Lactoinfektionen und für die Essigbildung...



C2H5OH + O2 -> CH3COOH + H2O



...werden erhebliche Mengen Sauerstoff benötigt, die während der
aktiven Hauptgärung aber nicht verfügbar sind! Dennoch können
Kontaminationen mit Essigbakterien auftreten und obwohl sie ihren
Stoffwechsel nicht entfalten können, gelten sie dennoch als Problem,
weil sie meist Schleimhüllen enthalten, die anaerobe Bierschädlinge
ähnlich wie "Biersteinpanzer" vor dem Angriff von Desinfektionsmitteln
schützen!



2 Punkte sind mir noch bezüglich Hartmut's Problem aufgefallen:



1.) Du desinfizierst den Gärbottich mit 0,2% Peressigsäure. Ich bin mir
nicht sicher, ob diese geringe Säurekonzentration das Aufkommen von
Bierstein verhindern kann; die Peressigsäure ist zwar als
Desinfektionsmittel sehr wirkungsvoll, zersetzt sich aber sehr leicht -
auch während der Lagerung - vor allem in Gegenwart geringster
Verunreinigungen.



Wie frisch ist Deine Peressigsäure - kannst Du den Aktivgehalt prüfen
lassen (Teststäbchen oder Titration in einem Brauereilabor?) Im
Zweifelsfall immer frisch verwenden.



2.) Das 1,5L Weckglas für die Hefe vor dem Backen bei 120°C mit wenig
Wasser (50mL) bodenbedeckt füllen (Deckel natürlich nur locker
aufsetzen). Grund: Mikroben trocknen einfach aus - einige % davon
können dann hohe Temperaturen unbeschadet überleben und nach dem
Rehydratisieren wieder aktiv werden. Bei feuchter Hitze garen sie
jedoch im eigenen Saft und das tut ihnen ganz und gar nicht gut.



Schließlich möchte ich noch erwähnen, dass es für mich den Anschein hat,
dass einzelne Malzchargen die Ausscheidung von Bierstein und / oder
das Wachstum der Lactobazillen zu fördern vermögen. Ich bin kein Mälzer
oder Biologe, aber ich frage mich, ob da nicht die Oxalatbildung, das
Aminosäurespektrum oder Spurenelemente und Wuchststoffe eine Rolle
spielen könnten??



Ich hoffe das hilft ein wenig. All jene, die (noch) nie Probleme in
dieser Richtung hatten, werden den Umfang dieser Diskussion bzw. das
Interesse nicht ganz verstehen, aber laßt Euch bitte eines gesagt sein:
Ohne systematische Analyse und rigorose Maßnahmen wird man
Kontaminationen mit Lactobazillen nie wieder los - das hat schon viele
Hobbybrauer zum Aufgeben gezwungen! Haltet euch an gründliche
Reinigungs- und Desinfektionsprozeduren, lasst niemals locker - auch
wenn's niemals Probleme gibt - pflegt Hygieneprozeduren als rituellen
Mikrobenmord und ihr werdet von dieser Plage verschont bleiben!



Allzeit gut Sud!

Hubert Hanghofer

www.netbeer.org"

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