Senior Member Beiträge: 336 Registriert: 12.3.2009 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 17.12.2011 um 18:53 |
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Hallo zusammen,
ich habe 2 verschiedene Lagerbiere mit Hopfensollwert von ca. 30 IBU
gebraut. Beim Abfüllen nach 7 Wochen Kaltreifung sind beide Biere ziemlich
bitter. Wir haben zwar Aroma und Bitterhopfen verwendet, haben aber die
Bitterstoffausnutzung nach dem IBU-Rechner von MaischeMalzundmehr berechnet
und uns ziemlich genau daran gehalten.
Allerdings kommt ja noch die Wartezeit von Kochende bis Whirlpoolbeginn
dazu wegen der Wärmekonvektion. Das waren auch nochmals ca. 20-25 min.
Bezieht Ihr diese Zeit in Eure IBU-Berechnungen mit ein, obwohl die
Temperatur ja stetig fällt?
Ist diese längere Verweilzeit eventuell der Grund für die ausgeprägte
Bittere?
Wie lange benötigt denn das Bier um ca. 10 IBU bei Lagerung bei ca. 1°C
abzubauen?
Schon mal Danke für Eure Antworten.
Gruß Uwe
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Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 17.12.2011 um 19:05 |
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Hi Uwe,
ja, diese Zeit bezeichnet man als Nachisomerisierungszeit. Den
Muldengold-Rechner kenne ich nicht aber bei Earl, Gremmels kleinen
Brauhelfer und auf Berliners Müggelland Brauerei Seite kann man die
eingeben.
Besonders bei hohen, späten Aromagaben extrem wichtig!!
[Editiert am 17.12.2011 um 19:06 von flying]
____________________ "Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
(John Ciardi)
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Antwort 1 |
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Newbie Beiträge: 4 Registriert: 17.12.2011 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 17.12.2011 um 23:57 |
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Hi Uwe
Nach Kochende steigen die BE nur noch geringfügig an.
Wie hoch ist deine Stammwürze und dein Vergärungsgrad?
Vielleicht sticht die Bittere auch so stark raus weil dein Bier einen hohen
Vergärungsgrad + niedrigem Alkoholwert hat.
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Antwort 2 |
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Senior Member Beiträge: 336 Registriert: 12.3.2009 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 18.12.2011 um 17:55 |
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Hallo "Das Bier",
ich wusste gar nicht, das das im Zusammenhang steht.
Der scheinbare Vergärungsgrad liegt bei beiden Bieren zwischen 72 und 74%,
Alkoholgehalt 4,8% und 5,0%.
Gruß Uwe
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Antwort 3 |
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Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 18.12.2011 um 18:03 |
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Hi Uwe,
User "Das Bier" hat da nicht ganz recht. Es stimmt, dass der Bitterwert von
den Gaben Vorderwürzehopfung und Bitterhopfengabe nicht mehr oder kaum noch
steigt. Es geht jedoch um die Aromagaben, die oftmals sehr reichlich
ausgeführt werden.
Hier solltest Du die Zeit, die die Würze nach Kochende noch über 90° ist
schon dazu rechen. Es macht einen riesigen Unterschied ob eine reichliche
Aromagabe mit 5 min oder mit 30 min gerechnet wird..
Da kann schnell aus 25 BE 40 BE werden...
____________________ "Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
(John Ciardi)
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Antwort 4 |
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Posting Freak Beiträge: 675 Registriert: 25.10.2010 Status: Offline
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erstellt am: 18.12.2011 um 19:32 |
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Habe vor kurzen einen sehr spannenden Artikel gelesen, der die
Isomerisierungskinetik von alpha-Säuren untersucht. Demnach geht man von
einer Halbierung der Isomerisierung alle 10°C unter 100°C aus bzw. einer
Verdoppelung alle 10°C über 100°C (weshalb die großen Brauereien auch auf
Überdruck-Kochen setzen).
Quelle: Malowicki and Shellhammer: "Isomerization and Degradation kinetics
of hop (Humulus lupulus) acids in a model wort-boiling system", J. Agric.
Food Chem., 2005 (53), 4434-4439
Man kann also rechnen, das 20-30 min bei durchschnittl. 90°C ca. 10-15 min
Würzekochen entspricht. Bei sehr viel späten Hopfen empfielt es sich evtl.
die Temperatur rasch durch Kühlschrank-kaltes Wasser runter zu bringen.
EDIT: deshalb ist es m.E. auch nicht korrekt die Zeit zwischen 100°C runter
zu 90°C einfach als Kochzeit zu rechnen. Der Effekt der Nachisomerisierung
wird dadurch teilweise überschätzt.
Gruß
Sandro
[Editiert am 18.12.2011 um 20:01 von muldengold]
____________________
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Antwort 5 |
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Newbie Beiträge: 4 Registriert: 17.12.2011 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 18.12.2011 um 22:19 |
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@Uwe : Ja wenn das Bier zu unausgewogen ist, kann ein Aroma (hier der
Hopfen) zu stark "ausschlagen".
Also meine Erfahrung bei unserem Sudhaus ist, das es keinen großen
Unterschied bei den Bittereinheiten macht, ob du nun die letzte Hopfengabe
komplett nach Kochende gibst oder aufteilst in eine Sudpfannen und eine
Whirlpoolgabe. Das Aroma wird lediglich feiner weil die Hopfenöle nicht
ganz so schnell verfliegen.
Aber es kommt wie immer auf die Menge drauf an.
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Antwort 6 |
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Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 18.12.2011 um 22:29 |
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Hi Sandro,
wie würdest Du dann die Zeit zwischen 100° und 90° berechnen? Ich hab schon
von Nachisomerisierung bis 65° gelesen...Wäre dann für die
Übernachtabkühler interessant.
____________________ "Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
(John Ciardi)
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Antwort 7 |
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Posting Freak Beiträge: 675 Registriert: 25.10.2010 Status: Offline
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erstellt am: 19.12.2011 um 09:12 |
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Hi Flying,
naja, die Nachisomerisierung hängt natürlich stark davon ab wie schnell
sich das System abkühlt. Wenn man den Zusammenhang "Halbierung alle 10°C"
rechnerisch betrachtet, kommt man auf den Faktor 0.7 x Zeit für den Bereich
90-99°C, 0.35 x Zeit zwischen 80-89°C, 0.18 x Zeit zwischen 70-79°C (ab
hier wird es dann glaube ich vernachlässigbar), usw. Oben erwähnter Artikel
untersucht allerdings nur den Bereich zwischen 90 und 130°C.
Es wäre daher sinnvoll mal die Geschwindigkeit der Abkühlung des eigenen
Systems bis 90°C bzw. bis 80°C bei gegebenem Würzevolumen zu beobachten.
Eine Hopfengabe von 20 g mit 5%-alpha-Säure in 25 Liter beim Ausschalten
würden daher rechnerisch 6,5 * 0,7 = 4,6 IBU, also rund 5 IBU
Nachisomerisierung bringen wenn die Abkühlung runter zu 90°C 20 min
beträgt. Wenn man den Bereich 90-99°C als Kochzeit betrachtet käme man auf
ca. 2 IBU höhere Nachisomerisierungs-IBU-Werte (6,5-4,6), also nix
dramatisches. Diese Annahme, die von verschiedenen Rechnern getroffen wird
scheint daher doch ok zu sein (EDIT: im Gegensatz zu meiner obigen
Aussage). Bei massiv spät gehopften Bieren könnten sich hier allerdings
Unterschiede ergeben.
Gruß
Sandro
[Editiert am 19.12.2011 um 09:27 von muldengold]
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Antwort 8 |
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Posting Freak Beiträge: 739 Registriert: 14.9.2010 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 19.12.2011 um 10:26 |
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@flying:
Ich denke dass die Übernachtabkühler wohl vorher den Whirpool machen und
dementsprechend der Hopfen schon raus ist...
____________________ Ein gutes Bier, maßvoll genossen, schadet auch in großen Mengen nicht...
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Antwort 9 |
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Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 19.12.2011 um 10:53 |
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Hi Leute,
über die Nachisomeriserung beim Übernachtabkühlen hab ich mir schon viele
Gedanken gemacht. Festgestellt habe ich, dass alle Biere mit sehr späten
und hohen Aromagaben deutlich bittterer wurden wie berechnet. Auch wenn man
die Nachisomerisierungszeit mit angegeben hat.
Die Zeit bis zum Whirlpool, also rund 30 min würde ich auch mit 90%
annehmen (wie Sandro das auch empfielt).
Nach dem Whirlpool... Der Hopfenschlamm ist dann zwar raus
aber meiner Meinung sind die nichtisomerisierten Alphasäuren in der Würze
weiter drin. (Man beachte mal die schillernde Schicht der Hopfenöle auf der
Würze?)
Bis so eine Würze unter 70° abkühlt dauert es oft Stunden. Für das
Übernachtabkühlen habe ich folgendes festgestellt. Wenn ich in Earls
Hopfenrechner eine Nachisomerisierungszeit von 40 min eingebe, so stimmt
die berechnete Bittere nach meinem subjektiven Empfinden mit der
tatsächlichen Bitttere überein. ____________________ "Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
(John Ciardi)
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Antwort 10 |
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Posting Freak Beiträge: 675 Registriert: 25.10.2010 Status: Offline
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erstellt am: 19.12.2011 um 11:30 |
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Evtl. könnte man im Hopfenrechner die Nachisomerisierungszeit mit einem
weiteren Feld für die Abkühlungsgeschwindigkeit (z.B.: "ca. 0.2°C/min;
0.5°C/min; >=1°C/min" oder so) vervollständigen? Damit könnte man den
Einfluss der Zeit und der Temperatur auf die Nachisomerisierung auf etwas
sichere Beine stellen ohne sich zu verbiegen oder Sachen reinzurechnen die
gar nicht exisitieren.
Aber wie gesagt, der Unterschied zu "90-99°C als Kochzeit" wird nicht sooo
dolle ausfallen, da die "90-99°C als Kochzeit" Annahme die Isomerisierung
in diesem Temperaturbereich zwar überschätzt, die Temperaturbereiche
darunter bei den meisten Rechner allerdings komplett vernachlässigt und
dann stimmts am Ende so ungefähr wieder ohne gross rumzurechnen.
Gruss
Sandro
____________________
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Antwort 11 |
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Senior Member Beiträge: 336 Registriert: 12.3.2009 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 19.12.2011 um 22:21 |
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Ich habe Eure Antworten sehr interessiert verfolgt.
Ich habe das genaue Rezept zwar gerade nicht zur Hand, aber wir haben die
letzte Hopfengabe ca. 10 min gekocht (ca. 5% Alphawert).
Nach dem Rechner hätten 30 und 35IBU rauskommen sollen, was ja nicht sehr
bitter sein sollte. Trotzdem empfinden wir es als ziemlich bitter.
Aber das ist nun mal passiert!
Die Frage ist nun, wie lange muß ich das Bier lagern, damit das Bier ca.
10IBU verliert?
Gruß Uwe
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Antwort 12 |
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Member Beiträge: 71 Registriert: 29.3.2009 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 19.12.2011 um 22:36 |
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Hallo Uwe,
hatte diese Jahr auch so einen Fall, dass mir das Bier wesentlich bitter
wurde als geplant. Geschmacklich gut, aber doch sehr bitter auch im Abgang.
Wieso? Ich hab heute noch keine Ahnung, warum. Letztlich habe ich das
Meiste an Freunde verschenkt, die immer nur sagten Genial. Letztens, so
nach einem halben Jahr hab ich dann eine der letzten Flaschen aufgemacht,
die noch keinen Abnehmer gefunden hatten. Was soll ich sagen - warum hab
ich die anderen Flaschen eigentlich verschenkt?
Es war richtig gut geworden, auch die Bittere war angenehm, nicht mehr so
aufdringlich. Denke so ein halbes Jahr solltest du die Flaschen einfach
liegen lassen. Im Keller nach ganz hinten räumen, vergessen...
Wie viel IBU es letztendlich waren - keine Ahnung. 10 könnte hinkommen
Tschau
Frank ____________________ Elvitte a cica...
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Antwort 13 |
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Posting Freak Beiträge: 675 Registriert: 25.10.2010 Status: Offline
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erstellt am: 20.12.2011 um 08:54 |
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Ich weiss nicht wer die "Basic brewing radio" podcasts von James Spencer
verfolgt.
Vor kurzem war da ein Beitrag über den Rückgang der Bittere bei der
Lagerung von Bier (glaube es war das "IBU Ceiling Follow-Up"). Dabei
scheint es nicht ganz klar zu sein wohin die Bittere verschwindet.
Möglicherweise sedimentiert sie mit der Hefe bzw. bei der allgemeinen
Klärung des Bieres mit aus oder bleibt an der Innenwand der Flasche hängen
(iso-alpha-Säuren haben eine Vorliebe sich überall festzuhängen).
Auf alle Fälle war der Rückgang deutlich spür- und messbar. Hing von der
Startbittere ab, konnte aber durchaus (wenn ich mich recht entsinne) bei
einem Bier mit hoher Anfangsbittere 10 IBU und mehr betragen.
Gruß
Sandro
____________________
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Antwort 14 |
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Moderator Beiträge: 4922 Registriert: 5.4.2005 Status: Offline
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erstellt am: 20.12.2011 um 13:45 |
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> oder bleibt an der Innenwand der Flasche hängen (iso-alpha-Säuren
haben eine Vorliebe sich überall festzuhängen).
Das wäre ein Argument in jedem Fall die Flaschen mit etwas alkalischem zu
reinigen.
Ein einfaches Ausspülen mit Wasser würde einen eventuellen
Iso-Alphasäurefilm wohl wenig angreifen.
...es käme vielleicht auch die Aussage im Narziß zur Abhängigkeit der
"Form" von Iso-Alphasäuren vom pH-Wert dazu.
Bei niedrigerem pH soll eine mehr kolloidale Form bevorzugt vorliegen, die
weniger harte Bittere bringt.
Bei höherem pH mehr als "Salz", mit härterer Bittere. Die Löslichkeit
könnte ich mir in der Form eines "Salzes" höher vorstellen, als das
Kolloid.
Über den Abbau der Bittere kann ich jetzt nur spekulieren und vielleicht
ist das ähnlich der "Schönung" von Weinen mit Zusatz von Tanninen.
Evt. binden sich verbliebene Iso-Alphasäure und Eiweiße in der Lagerung und
die Bittere wird so "abgebaut".
Uwe
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Antwort 15 |
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