Naja, die Rastzeiten stammen aus dem vorigen
Jahrtausend, bei den damals verfügbaren Malzen war eine Eiweßrast noch
nötig. Bei heutigen Malzen kann man die Eiweßrast getrost weglassen, bei
manchen Malzen ist sie sogar schädlich (für den Schaum, Bier wird's
trotzdem).
So eine lange Eiweißrast macht man heute nur bei auf alt getrimmten Malzen
mit denen man historische Rezepte nachbrauen will. Bei Malzen für englische
oder amerikanische Rezepte, z.B. Pale Ale Malz, läßt man sie besser ganz
weg.
Für deine Malzmischung dürften 10 Minuten bei 57° das Optimum sein.
Die jeweils 60 Minuten Maltose- und Verzuckerungsrast sind auch jenseits
von gut und böse. Bei der Maltoserast entstehen Zucker, die von der Hefe zu
Alkohol und CO2 verarbeitet werden können. In der Verzuckerungsrast bilden
sich unvergärbare Zucker, an denen sich die Hefe die Zähne ausbeißt, die
bleiben dem Bier als sogenannte Restsüße erhalten.
Nach 40 Minuten Maltoserast bei 63° ist eigentlich schon alles an Stärke zu
Zucker verarbeitet, jede Minute länger ist nur Zeit- und
Energieverschwendung. Für die Verzuckerungsrast bei 72° bleibt auch nicht
mehr viel an Stärke umzusetzen.
Eine Läuterrast bei 78° ist völlig überflüssig, da passiert enzymatisch
nichts mehr. Auf 78° wird nur geheizt damit die Würze dünnflüssiger wird
und mehr Extrakt aufnehmen kann, das verbessert die Ausbeute. Also auf 78°
heizen, 5 Minuten warten damit sich alles beruhigt hat und dann mit dem
Läutern beginnen.
Als Faustregel kann man für Maltose- und Verzuckerungsrast zusammen 60
Minuten ansetzen, wobei die Anteile die Restsüße im späteren Bier
bestimmen. Bei 20/40 wird das ein ziemlicher Süßbapp, bei 40/20 eher
trocken - also durchaus pilsähnlich.
Leider ist nichts näheres über die Hefe bekannt, die hat nämlich auch
Einfluß auf die Restsüße. Es gibt Hefen, die bei 60% Vergärgrad schon
schlapp machen und dem Bier viel Restsüße überlassen, andere Hefen gehen
über 80% Vergärgrad. Zusammen mit einer langen Maltoserast gibt das zwar
einen hohen Alkoholgehalt, ist aber eine trotzdem wässrige, leere
Angelegenheit - es fehlt dem Bier was die Brauer so heroisch
"Vollmundigkeit" nennen.
Bei 48g Hopfen mit 6,5% alpha komme ich so überschlägig auf 40
Bittereinheiten - vor 40 Jahren war das für ein Pils üblich, heute werden
32 Bittereinheiten schon als "herb" verkauft. Willst du also mit dieser
Malzmischung dein Lieblingspils nachbauen, wirst du eine Überraschung
erleben.
Mit der überlangen Maltoserast und der starken Hopfung kommt schon was in
Richtung Pils zustande, bei den hohen Gärtemperaturen entstehen aber
Gärnebenprodukte, die für diesen Bierstil unüblich sind. Dein Pils hat
vermutlich den Obstler schon drin. Glückwunsch.
Ich würde in deinem Fall, ausgehend von 4kg Schrot, 20 Liter Fertigbier und
einem Einkocher mit 27/29 Liter Volumen, wie folgt vorgehen (bei Teilmengen
entsprechend umrechnen);
14 Liter Wasser auf 60° voheizen und das Schrot einrühren (=einmaischen).
Da das Schrot Zimmertemperatur hat, sinkt die Maischetemperatur auf ca 57°
- wenn es 55° oder 59° werden, ist das unerheblich. Bei größeren
Abweichungen kannst du mit kaltem oder heißem Wasser ausgleichen, die
Wassermenge ist weniger kritisch.
Nach 10 Minuten auf 63° aufheizen und 35 Minuten halten (wenn es 62° oder
64° sind, geht dein Bier nicht kaputt), dann auf 72° heizen und weitere 20
Minuten halten. Jodprobe machen, wenn sich das Jod noch verfärbt, 10
Minuten dranhängen, ansonsten auf 78° heizen und mit dem Läutern
beginnen.
Läutern würde ich bis die Stammwürze auf 10,8% runter ist, wie schon
beschrieben. Den Hopfen würde ich aufteilen und 2/3 etwa 10 Minuten nach
Kochbeginn zugeben, 1/3 etwa 10 Minuten vor Kochende. So kommst du auf ca
32 Bittereinheiten, hast aber noch eine Chance auf etwas Hopfenaroma im
Bier (je nach Hopfensorte).
Bei der Vergärung würde ich drauf achten, dass die Temperatur nicht über
13° steigt. So hast du die Chance auf ein pilsähnliches Getränk, sei aber
nicht enttäuscht wenn es anders schmeckt als dein Lieblingspils. Pils
brauen ist eine anspruchsvolle Angelegenheit, bei keinem Bierstill kommt es
so sehr aufs Wasser an wie bei Pils und es gibt noch viele weitere
Stellschrauben.
Egal - Bier wird es immer, laß' dich überraschen.
Cheers, Ruthard
____________________
Mein Blog: Brew24.com