Aus der NRZ Essen, Ausgabe 18.07.2007
Miltenberg/Gräfelfing (dpa) - Johannisbeer-Aroma, leicht schokoladig oder
ein bisschen wie Eisbonbon: Stecken Cornelius Faust und Hubertus Grimm aus
Miltenberg ihre Nase in ein Bierglas und schnuppern, dann riechen
Unterfrankens erste Bier-Sommeliere so einiges in dem Kulturgetränk.
Beim ersten Miltenberger Bierkulinarium im Bräustüble durften gleich 43
Gäste mit den Bierkennern über ihre nasalen Eindrücke - und schließlich
auch über ihre Gaumenfreuden in Kombination mit Käsespezialitäten -
diskutieren. Anders als bei Weinverkostungen heißt es bei Bierproben
jedoch: »Nicht spucken, sondern leicht über die Zunge rollen und
schlucken.«
Faust, Chef einer gleichnamigen Brauerei, und sein Mitarbeiter Grimm
gehören zu den ersten 100 Bier-Sommelieren weltweit. »Es heißt immer, Wein
wird genossen, Bier getrunken«, ärgert sich der gelernte Elektriker Grimm
über den Ruf des Getränks, mit dem er sein Geld verdient. Deshalb haben
sich beide in einer zweiwöchigen Schulung an der Doemens-Akademie in
Gräfelfing bei München zum Bier-Sommelier ausbilden lassen. Rund 2000 Euro
kostete der Spaß. »Der Sommelier ist sehr frühzeitig von der Weinwirtschaft
besetzt worden«, kritisiert Faust. Es sei Zeit gewesen, auch in der
Weinregion Franken das Augenmerk auf andere Gaumenfreuden zu lenken - und
dies professionell zu untermauern.
Zwar waren beide schon vorher Bierfachleute. Der Lehrgang hat ihren
Horizont jedoch um einiges erweitert. »Sie wissen jetzt, welche Speisen zu
welchen Bieren passen, und kennen sich aus mit den verschiedenen
Bierstilen«, erläuterte Akademiegeschäftsführer Wolfgang Stempfl. Zudem
wisse ein Bier-Sommelier über die positiven gesundheitlichen Auswirkungen
des Getränks und könne das dann auch an seine Gäste weitergeben.
Nach wochenlangem Training mit internationalen Sorten luden die
Bierliebhaber nun zu der kurios anmutenden Verkostung. Die Gäste, die trotz
des enormen Andrangs einen der begehrten Plätze ergattern konnten,
probierten vom Emmentaler über den Roquefort bis hin zu Frischkäse und
Gouda verschiedene Käsesorten - stets kombiniert mit abgestimmten
Bierspezialitäten wie irisches Stout oder belgisches Starkbier.
»Weinproben hat man schon zur Genüge gemacht«, sagte Gast Gerd Hutterer.
»Aber die Unterschiede beim Bier hat mir noch niemand erklärt.« Auch
Wolfgang Weimer, der sonst mit seinem Männerclub eher Whisky und
verschiedene Zigarrensorten testet, wagte sich mit seiner Zunge in die
unbekannten Geschmacksgefilde. »Ich liebe Käse.« Zusammen mit malzbetonten
oder pikant-würzigen Bieren sei dies ein Erlebnis für den Gaumen.
Nach dem Biercocktail »Day Dream« aus Hefeweizen, Orangensaft und Maracuja
hieß es für die Gäste, darunter immerhin rund ein Drittel Frauen: hören,
sehen, riechen, schmecken, beurteilen. »Es soll harmonisch abgehen«,
erläuterte Grimm dem Publikum, worauf es ankommt. Nach jeweils acht Bier-
und Käsesorten jonglierte schließlich auch Weimer problemlos mit den
Adjektiven wie die Sommeliers: »Hopfenaromatig, geht ein bisschen ins
Aprikosenartige hinein«, attestierte der Gast dem angebotenen Pils.
Erkenntnisse des Abends: Frischkäse und Pils ergänzen sich ebenso wie
Weißschimmelkäse und mildes, bernsteinfarbenes Kastanienbier aus Korsika,
das einen »leicht holzigen Abgang« hat. »Hier macht die Kohlensäure die
Zunge wieder frei von der Käsecreme«, erläuterte Faust. Zu Schafskäse
empfehlen die Mundschenke bananenaromatisches Weizenbier »mit einer Note
von grünem Apfel«, während vom Pils in Kombination mit Weißschimmelkäse
abzuraten sei. »Unharmonisch«, so das Urteil des Bierduos. »Es ist schade
um den schönen Käse.«
Ihre Fähigkeiten wollen die professionellen Bierverkoster künftig auch den
regionalen Gastronomen präsentieren und spezielle Biermenüs kreieren oder
Bierkarten zusammenstellen. Bevor sich beide an so ungewöhnliche
Kombinationen wie Doppelbock zu Tiramisu wagen, heißt es beim nächsten
Kulinarium Ende September erstmal: »Bier und Wurst«.
Ausbildung zum Diplom-Bier-Sommelier:
www.doemens.org
Miltenberger Bierkulinarium:
www.faust.de
18.07.2007 dpa
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Ich esse Fleisch, weil mir die kleinen Tofus so leid tun und Saitan
scheisse schmeckt!