Hallo Harald, herzlich Willkommen im Forum.
Bier wird zwar im Allgemeinen nicht so lange gelagert, aber es gibt
durchaus Sorten, die jahrelang reifen. Das belgische Gueuze (das ich
übrigens gestern erst auf der Berliner Biermeile genossen habe) lagert
mehrere Jahre und wird mit jüngerem Bier (Lambic) verschnitten. Auch
Berliner Weiße profitiert von sehr langer Lagerung, ich habe von bis zu 3
Jahren gelesen (aber noch nie so lange ausgehalten). Beide führen übrigens
den Schaumwein im Namen: bei Gueuze spricht man von 'Champagnerbier', und
Berliner Weiße wird manchmal 'Champagner des Nordens' genannt. Auch Barley
Wine, sehr starkes Ale, wird mehrere, manchmal bis zu 25 Jahren gelagert
und oft als 'Jahrgangsbier' ausgeschenkt.
Ich vermute daher auch, dass die lange Lagerung mit dem sehr speziellen
Geschmack dieser Biere zu tun hat. Bei Gueuze und Berliner Weiße erinnert
der wirklich mehr an Sekt als an Bier, bei Barley Wine denkt man zunächst
meist an Portwein.
Bei Weizen kann man sehr gut beobachten, wie sich der Geschmack schon
innerhalb von Wochen verändert. Zunächst noch sehr fruchtig und 'frech',
weicht das einem harmonischeren Geschmack - allerdings nicht mehr
sortentypisch und auch etwas 'langweilig'. Bei anderen Sorten dauert das
länger, aber auch ein Lager verliert mit der Zeit teilweise die Bittere.
Bis zu einem bestimmten Punkt kann es davon profitieren, aber irgendwann
wird der Gegensatz zwischen malzigen und bitteren Noten zu gering.
Ich denke, beim Bier ist nur in seltenen Fällen ein vollkommen
harmonischer, ausgereifter Geschmack gefragt. Meist steht mehr die
Erfrischung, die mit den Gegensätzen von bitteren, süßen, säuerlichen und
würzigen Noten gewinnt, im Vordergrund.
Die Autolyse halte ich eher für eine Nebensache, die man mit geeigneten
Maßnahmen (häufiges Abziehen, evtl. Filtern) in den Griff bekommen
würde.
Zusammengefasst also: it depends...
Die meisten Biere wollen frisch getrunken sein, aber einige Sorten
profitieren auch von jahrelanger Lagerung.
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Gruß vom Berliner