Zitat kerosin
Guten Abend allerseits,
ich fühle mich gerade angesprochen hier etwas zu schreiben
Ich hoffe es ist nicht zu spät um noch etwas Biochemie zu machen...
<science hat on>:
Die folgenden Informationen sind von Greg Doss von Wyeast. Die meisten
Brett-spezifischen Aromastoffe sind flüchtige Phenole. Diese flüchtigen
Phenole werden dann u.a. als spicy, clove (Nelke), horse planket (die
bekannte Pferdedecke) und wet animal (vielmals als nasser Hund)
beschrieben. Und das geht biochemisch wie folgt:
Phenolic acids
- p-Coumarinsäure --> 4-Vinyl phenol
- Ferulasäure --> 4-Vinylguaiacol
- Caffeic acid --> Vinyl calechol
Phenolic acids (bpsw. p-Coumaric acid, ferulic acid oder caffeic acid)
können mit einer Decarboxylase zu Vinylphenolen umgesetzt werden. Diese
Decarboxylase ist in vielen Saccharomyces cerevisiae, Lactobacillen und
anderen wilden Hefen (u.a. auch Brettanomyces) vorhanden. Die obige
Reaktion ist übrigens jene die bei den Weizenbieren zu den typischen
Nelkenaromen führt. Dabei wird ja Ferulasäure zu 4-Vinylguaiacol (ein
Vinylphenol-Derivat) umgesetzt. Und das 4-Vinylguaiacol hat ja bekanntlich
eine starke Nelkennote.
Mit den Vinylphenolen ist es jedoch nicht fertig. Eine Reduktase kann die
Vinylphenol-Derivate weiter zu Ethylphenol-Derivaten umsetzen:
Vinylphenol Derivate
- 4-Vinyl phenol --> 4-Ethylphenol
- 4-Vinylguaiacol --> 4-Ethylguaiacol
- Vinyl calechol --> Ethylcalechol
Und hier kommt nur der springende Punkt. Diese Reduktase ist nur in
Brettanomyces, Pichia und Candida vorhanden. Diese Reaktionen kann also
eine normale Saccharomyces cerevisiae nicht machen. Weshalb ist das
wichtig? Nun, dass ist insofern wichtig, weil die Produkte der Reaktionen
charakteristische Aromen haben. 4-Ethylphenol wird als barnyard
beschrieben, 4-Ethylguaiacol als rauchig. Für Ethylcalechol habe ich keine
Informationen.
Das ist eine Erklärung wie Brettanomyces zu den unterschiedlichen Aromen
führen können. In Brettanomyces sind Enzyme vorhanden die in normalen
Brauhefen nicht vorkommen. Die Pferdedecke hat also nicht mit autolysierten
Bretts zu tun. Die Aromen entstehen ganz normal durch den Stoffwechsel von
Brett Zellen.
<science hat off>
Es ist vielleicht hier noch anzumerken, dass diese Reaktionen durch
verschiedenste Variablen beeinflusst werden können. Da wären zum Beispiel
der Brett Stamm, Zeitpunkt der Inokulation, pitching rate, Temperatur, pH,
Sauerstoff... ihr seht vielleicht wo ich hin will. Je nach Wahl bekommt man
es hin, schon nach sechs Wochen typische Brett-Aromen zu erhalten. Am
wenigsten Brett-Aroma bekommt man, wenn man die Biere nur mit Bretts
vergärt! Ich habe aber auch schon anderes gelesen... Am schnellsten bekommt
man die Brett-Aromen wenn die Bretts in der Sekundärgärung zugegeben
werden.
Weshalb aber die Bretts so "lange" brauchen bis die speziellen Aromen
auftreten kann ich nicht beantworten. Ein weiterer Punkt ist eine
verlängerte Ferulasäure-Rast. Der Grund dazu ist ja schon oben erwähnt. Und
so hätt ich dann auch meinen wissenschafts-post mit einer praktischen
Anwendung abgeschlossen
Cheers!
Samuel