Posting Freak Beiträge: 1784 Registriert: 27.3.2005 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 13.7.2013 um 21:51 |
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Ich trinke gerade ein Dortmunder Union Export. Trotz Wikipedia bin ich
nicht wirklich schlauer:
Wann ist ein Bier ein Export?
Wann ein "Helles"?
Wann ein (internationales) Lager?
Alle Biere beschreiben Stile, die wohl im Zuge der Erfindung der
Kältemaschine entstanden sind. Durch die kühle Gärung wurde untergäriges
Bier möglich.
Gibt es historische Urprünge? Gibt es Definitionen?
Vor allem bei den klassichen hellen bayrischen Bieren kenne ich vierelei
Varianten von eher hopfenbetont (Spaten) bis gänzlich lasch (Kulmbacher)
[Editiert am 14.7.2013 um 07:44 von emjay2812]
____________________ Immer wenn man denkt das Niveau ist schon im Keller, kommt ein Bagger und
hebt noch 4 Etagen aus. (Oliver Kalkofe)
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Gambrinus zu Borbetomagus
Posting Freak Beiträge: 3085 Registriert: 2.6.2012 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 13.7.2013 um 22:31 |
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Jap, die gibt es. Ein Export wird oft mit einer höheren Stammwürze zwischen
12-13 Plato angestellt und ist etwas stärker gehopft (30-35 IBU). Alkohol
und Hopfen machen das Bier dann Haltbarer für den Export eben
UG brauen wurde aber nicht mit der Erfindung der Kühlung erst möglich, nein
die gab es schon länger. Sie wurde eben nur einfacher und auch dort möglich
wo es keine Felsenkeller gab.
Ein Lager hingegen ist durchaus auch haltbarer und eigentlich ist ein
Helles eben ein Lager. Es wurde in den Kalten Felsenkeller gelagert, war
durch aus vom Braustiel (UG) haltbarer. Durch seine kalte Lagerung im
Felsenkeller, bedarf es aber keinem höheren IBU oder Alk. gehalt. So 11-12
Stammwürze und 23-28 IBU.
Pils spielt ja außerhalb diese Kategorien meiner Meinung nach stark gehopft
und schlank ist es ein ganz eigenes Bier.
Märzen wurden auch stärker eingebraut um sie bis Oktober haltbarer zu
machen, es war das letzte UG in der Saisong,
Im Sommer wurde dann gerne Weizen gebraut. OG und warme Temperaturen im
Gärkeller machten nur das möglich. Deswegen trinkt man heute noch im Sommer
gerne ein Weizen
Man muss dazusagen, es gibt keine Vorschriften, dass z.B. ein Märzen
mindestens 13 % Stammwürze haben muss. Oder gar was ein Bier zum Export
oder zum Lager. Die Brauereien legen das selbst fest. Da der Verbraucher
vieles nicht weiß trinkt er es eben so.
Ich finde das sehr schade, das ganze erzählt ja auch eine Geschichte vorm
Herren Linde. Diese sollte man mit dem Bier waren. Eventuell macht die EU
daraus mal was gutes.
Bitte korrigiert mich wenn ich Blech schreibe, ich hatte mir das mal so
zusammengelesen.
[Editiert am 13.7.2013 um 22:42 von Gambrinus zu Borbetomagus]
____________________ Zertifiziertes Mitglied der "Worschtmarktbrauerbubenbieratenbartei" WBBBB
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Posting Freak Beiträge: 2920 Registriert: 1.3.2003 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 14.7.2013 um 06:22 |
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Jau, passt schon, ergänze bzw. bekräftige das nur noch:
Export ist praktisch die deutsche Version des IPA. Beide wurden zum Zwecke
der Haltbarkeit während des Transports stärker und mit mehr Hopfen
eingebraut, wobei natürlich das IPA hier wesentlich extremer ist und og,
während Export schon früher ug war.
Lager: Naja, die alte Geschichte des Lagers bei uns in Weißenbrunn lautete,
dass die Dorfbewohner ihr Bier versteckten, indem sie es vergruben, weil
die Stadtsoldaten aus der Kreisstadt anrückten und den Befehl hatten, das
Bier zu zerstören bzw. zu beschlagnahmen, da wir Weißenbrunner das Bier aus
Kronach zu trinken hätten. Einige Fässer waren so gut versteckt, dass man
sie erst viel später mehr aus Zufall wieder gefunden hatte. Beim Probieren
stellte man dann erstaunt fest, dass das Bier sogar besser schmeckte als
vorher. Man dachte eigentlich, dass das Bier sauer geworden sein muss. Ich
schätze solche Geschichten gibt es überall irgendwie. Anzumerken ist, dass
Lager nicht immer hell sein muss. Mindestens 80% der fränkischen Lager sind
dunkel oder zumindestens dunkel angehaut.
Hell: Ist glaube ich eher eine Mischform, die regionalen Schwankungen
unterworfen ist. Bleiben wir in Bayern bedeutet in Franken "hell"
eigentlich ein etwas dünneres Bier, das leichter eingebraut ist und meist
mit einem Alc von 4,4% so daherkommt. In Bayern-Süd ist die Bezeichnung
hell eigentich der Hinweis auf ein stärkeres Vollbier. (siehe Augustiner
Hell)
Wobei mir gerade noch ein Filmbeitrag einfällt zu deinem Export aus
Dortmund: Irgendwie war der Pott ja immer Exportbierbrauer und trinker.
Laut dem Filmbeitrag begann die Exportbrauerei zu sterben als immer mehr
Leutchen von dort Richtung Süden im Urlaub waren und sich dort immer mehr
mit dem Pils anfreundeten, was einfach schlanker und spritziger war. Als
dann der Trend begann, dieses Bier nicht nur im Urlaub zu konsumieren,
sondern eben auch dahein trinken zu wollen - ging die Exportbrauerei
allmählich in die Knie. Soweit der Film, inwieweit er stimmt, kann ich
nicht beurteilen. Aus meiner Heimat Kulmbach kann ich sagen, dass die
größte Brauerei dort - die damalige EKU - ja auch als Exportbierbrauerei
bekannt war und erst viel später auf den Pilszug aufgesprungen ist.
Grüßele
Holger
____________________
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Antwort 2 |
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Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 14.7.2013 um 10:01 |
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Hi Emjay,
eine schöne Frage für jemanden der sich für die Bierhistorie interessiert.
Mmmmhh...wo soll man da anfangen? Pils, Export, Helles, Lager usw. sind
alles Getränke, die Mitte des 19. Jahrhunderts erfunden wurden. In etwa zur
gleichen Zeit wie auch Coca Cola. Verantwortlich dafür waren hauptsächlich
5 Personen. Anton Dreher, Gabriel Sedlmeyer, Josepf Groll, Emil Hansen und
etwas später dann Carl von Linde.
Möglich war diese Erfindung aber nur durch die Industrialisierung und die
Wissenschaft. Erst damals neuartige Techniken wie moderne
Vermälzungsverfahren und die Hefereinzucht trugen dazu bei.
Die Ursprünge des Untergärigen liegen allerdings viel früher.
Ausschließlich in Süddeutschland in Bayern und der Pfalz. Sonst nirgendwo
auf der Welt! Hier wurde in den kalten Wintern ein Bier mit Hilfe einer
seltsamen, kältetoleranten Hefe entwickelt. Die Hefe hatte ihren Ursprung
zu einem guten Teil von einer wilden Hefe, die auf Baumgallen lebt. Das
sind krankhafte Wucherung auf Bäumen, voller Zuckersäfte und Bitterstoffe.
Sozusagen die Pickel am Arsch der Bäume. Um mit der Hefe auch im Sommer
arbeiten zu können wurde hier auch schon recht früh die Eiskellertechnik
entwickelt. Überall sonst wurde reichlich und in großer Vielfalt
obergäriges Bier gebraut. Untergärige Hefen waren auch nördlich des
Weißwurschtäquators schon bekannt, wurden aber als schlecht und
minderwertig angesehen.
Dreher und co. entwickelten also ein Bier welches gut schmeckte,
mikrobiologisch recht stabil und somit lager-und transportfähig wurde. Das
ganze ohne zu bitter zu sein. Die dadurch entstehenden Exportbierbrauereien
waren größer und wirtschaftlicher. Das Bier wurde billiger. Für den
endgültigen Durchbruch sorgte ein milder Winter 1883/84. Der sorgte dafür,
dass die Brauereien sich alle die neuartigen Kältemaschinen anschafften und
die ganzjährige Produktion lief auf Hochtouren.
Was dann folgte war das größte Artensterben seit dem Untergang der
Dinosaurier, zumindest in Deutschland. Um 1700 gab es allein in Preußen um
die 20.000 obergärige Braustätten. Der ungebremste Siegeszug des neuartigen
Lagerbieres fegte alles hinweg.
Der Zenit ist jedoch schon überschritten. Die Produktion ist seit Jahren
rückläufig. Internationale Lagerbierkonzerne versuchen notgedrungen in
asiatischen Märkten zu wachsen.
m.f.g
René, der wieder mal ins Quatschen gekommen ist....
[Editiert am 14.7.2013 um 10:02 von flying]
____________________ "Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
(John Ciardi)
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Antwort 3 |
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Posting Freak Beiträge: 2084 Registriert: 28.10.2009 Status: Offline
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erstellt am: 14.7.2013 um 11:46 |
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Zitat von flying, am 14.7.2013 um
10:01 | Für den endgültigen Durchbruch sorgte
ein milder Winter 1883/84. Der sorgte dafür, dass die Brauereien sich alle
die neuartigen Kältemaschinen anschafften und die ganzjährige Produktion
lief auf Hochtouren. |
Das konnte ich zunächst
kaum glauben:
Denn das ist ja genau der Winter nach dem Krakatau-Ausbruch 1883, wo ich
eher einen besonders kalten, vulkanischen Winter erwartet hätte.
Die Zeitreihe der Lufttemperatur zeigt
aber tatsächlich eine starke positive Anomalie.
Ich bin jetzt aber auf hier und hier auf zwei Arbeiten gestoßen, die sich mit dem
Phänomen des sog. Winter Warming nach Vulkanausbrüchen befassen.
Danke, wieder was gelernt!
Vielleicht wäre das Grund genug, am 27. August diesen Jahres, dem 130.
Jahrestag des Ausbruchs, zum Gedächtnis an seine bislang wohl nur
unzureichend erforschten Auswirkungen auf die europäische Biergeschichte
einen untergärigen Krakatau-Jubiläumssud anzusetzen...
Moritz
[Editiert am 14.7.2013 um 11:52 von Bierjunge]
____________________ Glaubte ich an die Reinkarnation, so wollte ich als Hefepilz wiedergeboren
werden.
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Antwort 4 |
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Posting Freak Beiträge: 5619 Registriert: 12.4.2011 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 14.7.2013 um 17:56 |
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Da ich grad am Flughafen warten muss auch noch meine 5 ct.
Es gibt ja gerade auch beim Hellen verschiedene Typen. Das Münchner Hell
z.B. München war auf Grund des harten Wassers eigentlich eine Hochburg
dunkler Biere (daher auch Münchner Malz). Es gibt eine Geschichte das sich
der Münchner Brauerrat weigerte das "neumodische" Pilsbier in München zu
brauen. Da dies aber immer erfolgreicher wurde und da die Münchner Brauer
auch ein Stück vom Kuchen abhaben wollten, wurde das Pils kurzerhand auf
das harte Wasser adaptiert. D.h. vor allem die Bittere wurde reduziert um
mit der Wasserhärte keine kratzende Bittere zu bekommen. Damit was das
Münchner Hell geboren und hat das ursprüngliche Dunkle (meistens dunkles
Export) was vollständig verdrängt.
Eine Anmerkung noch zum Märzen. Es war im Mittelalter nicht etwa so das man
im Sommer nicht auch hätte brauen können. Man durfte es schlichtweg nicht.
Das Brauejahr geht Michaeli bis Jakobi. Somit wu erst am 1 Oktober wieder
gebraut. Das Bier musste also 23 April bis 29 September halten.
Gruß
Jan
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Antwort 5 |
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Senior Member Beiträge: 190 Registriert: 25.3.2013 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 14.7.2013 um 18:22 |
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Ich hab das mal schnell gegoogelt und gefunden, dass das bayerische
Reinheitsgebot von 1516 die Preise zwischen Michaeli und Georgi regelt,
aber von Verbot stand da nichts.
Wer und wann hat denn verboten im Sommer zu brauen?
Gruß,
Philipp
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Antwort 6 |
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Posting Freak Beiträge: 5619 Registriert: 12.4.2011 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 14.7.2013 um 21:10 |
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Zitat von roink, am 14.7.2013 um
18:22 | Ich hab das mal schnell gegoogelt und
gefunden, dass das bayerische Reinheitsgebot von 1516 die Preise zwischen
Michaeli und Georgi regelt, aber von Verbot stand da nichts.
Wer und wann hat denn verboten im Sommer zu brauen?
Gruß,
Philipp |
Das ist eine gute Frage. Ich werd mich mal auf die Suche machen. Bis
jetztbhabe ich noch nicht hinterfragt auf welche "Regelung" das Brauerjahr
beruht, bis jetzt habe ich das so hingenommen wie es mir an der Uni
"gelehrt" wurde.
Gruß
Jan
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Antwort 7 |
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Posting Freak Beiträge: 5619 Registriert: 12.4.2011 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 14.7.2013 um 21:24 |
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Gibt man " Sommer Brauverbot" bei Google ein, findet man 1000de Stellen wo
davon die Sprache ist. Es ist aber nicht wirklich eine Quelle dieser
Regelung zu finden....
Jan
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Antwort 8 |
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Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 14.7.2013 um 22:06 |
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Antwort 9 |
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Posting Freak Beiträge: 5619 Registriert: 12.4.2011 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 14.7.2013 um 22:16 |
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Ich habe jetzt auch Hinweise gefunden das dies wohl z.B. In der Brauordnung
von Mersburg, der Bierordnung der Stadt Heidelberg und in der Brauordnung
der Wittelsbacher in Bayern geregelt wurde. In Bayern konnten wohl aber
auch Ausnahmen durch die Hofkammer erlassen werden.
Gruß
Jan
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Antwort 10 |
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Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 14.7.2013 um 22:17 |
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Antwort 11 |
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Posting Freak Beiträge: 5619 Registriert: 12.4.2011 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 14.7.2013 um 22:19 |
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Antwort 12 |
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Posting Freak Beiträge: 679 Registriert: 9.7.2012 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 14.7.2013 um 22:23 |
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1600.....kein Mittelalter mehr, wenn es da tatsächlich Hinweise vor 1600
gibt, würde mich das sehr interessieren
[Editiert am 14.7.2013 um 22:27 von Der Unterhopfte]
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Antwort 13 |
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Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 14.7.2013 um 22:23 |
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Nochmal tata...In den "Anmerkungen über den Codicem Maximilianeum Bavaricum
Civilem" von 1761 steht übrigens auch das Zutaten wie Salz, Kümmel oder
Wacholderbeeren nicht verboten sind, wenn sie nicht im Übermaße verwendet
werden...
[Editiert am 14.7.2013 um 22:23 von flying]
____________________ "Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
(John Ciardi)
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Antwort 14 |
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Posting Freak Beiträge: 5619 Registriert: 12.4.2011 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 14.7.2013 um 22:27 |
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Meiner Erfahrung nach ist es sehr schwer Quellen vor dem 30 jährigen Krieg
zu finden, da hier sehr viele Kirchen und Klöster samt den zugehörigen
Archiven zerstört wurden.
So lässt sich z.B. auch meine Familie nur bis Ende des 30 jährigen Krieg
verfolgen. Dann verliert sich die Spur weil die Kirchenbücher fehlen.
Jan
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Antwort 15 |
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Posting Freak Beiträge: 679 Registriert: 9.7.2012 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 14.7.2013 um 23:13 |
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Quellenstudium ist immer so eine Sache, - ok, da findet man evt. so
schnell nichts in dem Breich. Da müsste man es mal in Satdarchiven
versuchen in erhaltene Zunftbücher Einblick zu erhalten....ich verfolge das
mal weiter bei Zeit
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Antwort 16 |
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