Jan hatte mir nach seinem Amerika-Rundflug ein
Dr. Fritz Briem Piwo
Grodziskie / Grätzer Ale geschickt. Ganz ganz vielen Dank dafür!
Gebraut in Deutschland, höchstwahrscheinlich in Au i.d. Hallertau, und wohl
nur in den USA vertrieben (?).
Die Aufmachung der Flasche ist als markig zu bezeichnen: Pickelhaube,
preußischer Adler und die Umrisse Deutschlands in den Grenzen von
Dunnemalz. Befremdlich wirkt es auch, Grätz in der Beschreibung nach
Ostpreußen (sic) zu dislozieren. Aber für den amerikanischen Markt wird das
an Präzision genügen, bei Trader Joe's kommt etwa auch Schwarzwälder
Schinken von der Baltischen See...
Das Etikett verrät Gersten-Luftmalz und Birkenholz-geräuchertes Weizenmalz
und und munkelt etwas von einer Maischesäuerung mittels der vergessenen
Technik (sic) des Digerierens. Hm, nach allem was ich weiß, war das Grätzer
gerade
kein Sauerbier.
Wie das wohl mit der "schweren Hopfung" aus Saaz und Perle zusammenspielt?
Meiner Erfahrung nach funktioniert nämlich sauer und bitter überhaupt nicht
zusammen, und ist in ganz klares entweder-oder.
Aber schaun wir mal:
Als erstes fällt auf, dass die Karbonisierung ein Totalausfall ist. Kein
Zischen ist beim Öffnen zu hören, und ich muss das Bier aus ca. 1/2 Meter
Höher einschenken, um wenigstens etwas Schaum zu bekommen. Auch dies passt
nicht ganz zum historischen Original.
Von der Farbe ist es Orange, und trüb wie bei Hefeweizen. Na gut, das
Packerl kam auch erst gestern mit der Post.
Im Geruch kommt unverkennbar Lacto-Säure, und getreidige Süße. Der Rauch
kommt nur ganz schwach und verhalten.
Im Antrunk gibt es sich primär süß, was für einen typgerecht geringen
Vergärungsgrad spricht. Die Säure ist klar erkennbar, aber zum Glück recht
verhalten, ebenso der unterschwellige, aber keinesfalls dominante Rauch.
Das mit der "schweren Hopfung" bewahrheitet sich nicht (zum Glück, das
hätte wie gesagt nicht zur Säure gepasst), selbst im Nachhall bleibt eher
eine Süße als eine Bittere zurück.
Insgesamt also eine recht ausgewogene, erfrischende (4% Vol) und gut
trinkbare Komposition, die aber nur recht bedingt mit dem Original, soweit
ich davon weiß, zu tun hat. Und die ich mir noch deutlich spritziger
gewünscht hätte.
Wenn man schon so will, dann ist es m.E. (sauer, schach rauchig und schwach
gehopft) viel eher ein Lichtenhainer als ein Grätzer.
Aber eine interessante Erfahrung allemal. Vielen Dank nochmal!
Moritz
PS: Die fehlende Karbonisierung und die ausgeprägte Süße kommt mir, je mehr
ich darüber nachdenke, fast wie eine nicht durchgelaufene Flaschengärung
vor. Und das, wo doch etwas von 3 Monaten Reifung auf der Flasche steht.
Seltsam, hat hier sonst jemand das Bier schon einmal getrunken?
[Editiert am 1.8.2013 um 13:24 von Bierjunge]
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Glaubte ich an die Reinkarnation, so wollte ich als Hefepilz wiedergeboren
werden.