Hallöchen zusammen!
Um die Frage zu klären sollte man einfach mal die einzelnen Gründe für die
Würzekochung durchgehen:
Sterilisieren der Würze
Ist so nach 20 bis 30 Minuten Heißhaltung erledigt
Denaturierung der Enzyme - Fixierung der Inhaltsstoffe
Ist noch schneller erledigt
Isomerisierung der alpha-Säure
Ist nach 40 Minuten Heißhaltung sehr weit fortgeschritten. Der Hobbybrauer
kann auf die letzten paar Prozent ohne Probleme verzichten
Denaturierung des Eiweißes - Bruchbildung
Läuft auch bei der Heißhaltung ab. Da sich die Würze dabei jedoch fast
garnicht bewegt (geringe Konvektion), muss ein Rührwerk laufen. Andernfalls
geraten die mikroskopischen Proteinmoleküle nicht aneinander und können
nicht zusammen koagulieren. Also ist ein Rührwerk ein Muss.
Aromabildung
Die Bildung von geschmacksaktiven Maillardprodukten geschieht bereits bei
Temperaturen weit unter 100°C. Darüber hinaus möchte man nicht zu viele
dieser Produkte haben, da mit ihnen die thermische Belastung ebenfalls
ansteigt (kann mit der Thiobarbitursäurezahl - TBZ gemessen werden). So
können Würzen bzw. Biere aus Würzen, die mit einer
Hochtemperaturwürzekochung produziert wurden (Heißhaltung ca. 4 Minuten bei
130°C) leicht verbrannt schmecken (Muss aber nicht unbedingt - vgl. z.B.
Gilden oder Küppers Kölsch). Geringe Temperaturen ergeben also die feineren
und sanfteren Biere. Dementsprechend würde ich bei dunkleren, kernigen
Bieren eher stärker Kochen.
Einstellen der Stammwürze
Auch bei dem Einsatz eines Rührwerkes dampft bei einer Heißhaltung nahezu
nichts aus. Die Stammwürze ändert sich also nicht. Im industriellen Bereich
kann das ein Problem sein, da man die Rohstoffe (Malz) gut ausnutzen möchte
und daher mit mehr Wasser den Extrakt beim Läutern auswaschen muss. Da
kommt dann die Glattwassernutzschwelle ins spiel. Quasi der Break-even
Punkt zwischen Malzpreis und Energiepreis. Ist der Energiepreis niedrig und
der Malzpreis hoch wird mehr Wasser verwendet um mehr Extrakt zu gewinnen.
Das spätere Ausdampfen ist ja, wegen der geringen Energiepreises, nicht so
teuer. Umgekehrt verbleit mehr Extrakt in den Trebern.
Für den Hobbybrauer total irrelevant. Da sollte SPÄTESTENS bei 1%
Glattwasser schluss gemacht werden. Es können aber auch gerne 5% sein. Wer
will das im Hobbybereich schon hochrechnen (Stichwort: "Juhu! Ich hab' drei
Cent gespart"
)
Ausdampfung unedler Aromakomponenten
Da liegt dann das Problem an dem System: Während einer Heißhaltung werden
KEINE unerwünschten Aromen ausgedampft. Auch nicht durch ein Rührwerk.
S-Methyl-Methionin (Vorläufer von Dimethylsulfit [DMS]) wird dabei jedoch
in DMS gespalten. Es entstehen also Aromakomponenten, die entfernt werden
MÜSSEN (sehr niedriger Geschmacksschwellenwert und schmeckt nach Gras -
nicht lecker).
Die bereits angesprochenen Kochsysteme habe dafür spezielle, für den
Hobbybrauer meist nicht duchführbare Vorgehensweisen: Schoko dampft später
durch Vakuum aus, dynamische Niederdruckkochung durch plötzliche
Druckentlastung, Merlin durch eine Verdampfung in einem dünnen
Würzefilm...
Mein Tipp um Energie zu sparen:
Die Würze 40 bis 60 Minuten Heißhalten. Anschließend 15 bis 45 Minuten
stark Kochen. Den Status der Ausdampfung kann man durch probieren der Würze
gut bestimmen. Wenn die kalte Würze keine Abweichungen hat, ist alles
paletti! Man muss nur darauf achten, dass nach der Kochung (im Whirlpool)
auch nichts mehr ausgedampft wird, sich aber noch DMS nachbilden kann. Wenn
man aber eine lange Heißhaltezeit eingehalten hat wurde der komplette DMS
vorläufer gespalten. Wenn dann die Ausdampfung gereicht hat kann sich
nichts mehr nachbilden.
Wie bereits erwähnt: man kann den Status sehr schnell bestimmen. Also oft
genug probieren - wenn's schmeck ist's gut!
Gruß Malte
P.S.: die Nebenwirkungen der Kochung (Farbzunahme, Abnahme des pH-Wertes,
Bildung reduzierender Substanzen) kann man bei der Betrachtung
vernachlässigen!
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"Zeige mir eine Frau, die wirklich Gefallen am Bier findet, und ich erobere
die Welt."
Kaiser Wilhelm II
(1859-1941)