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Autor: Betreff: Bier analysieren lassen
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olibaer
Beiträge: 646
Registriert: 5.4.2004
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red_folder.gif erstellt am: 6.8.2013 um 21:18  
Hallo Stefan/Boludo,

Zitat von Boludo, am 6.8.2013 um 16:05

Ganz genau das denke ich mir schon lange:
Die geringere Bitterstoffausbeute bei höherer Stammwürze liegt nicht an einer geringern Löslichkeit, sondern an erhöhter Ausfällung während der Gärung.
Vielen Dank für die erhellende Antwort!
Stefan

eine höhere Stammwürze hat während der Gärung nicht zwangsweise eine erhöhte Ausfällung der Iso-Alpha-Säuren zur Folge. Ludwig/Kubus hat die wichtigsten Größen bereits benannt:

Zitat von Kubus, am 6.8.2013 um 15:51
Während der Gärung und Lagerung kommt es zu einer erheblichen Ausfällung der Iso-alpha-Säure durch den pH-Sturz, der CO2-Wäsche, dem Anhaften an den Hefezellen usw.

Der weiter unten von Kubus aufgeführte Auswascheffekt bei der Gärung

Zitat von Kubus, am 6.8.2013 um 15:51

Während dieser CO2-Wäsche werden bei höherer Stammwürze unter anderem mehr Iso-alpha-Säuren ausgefällt und mit dem CO2 nach oben transportiert.

ist zwar vorhanden, die Aussage/die Aussagen kann man aber so formuliert nicht alleine stehen lassen - höhere Stammwürze fällt keine Iso-Alpha-Säuren aus.

Es gibt eine Reihe von Gründen, warum die Aussage "höhere Stammwürze = höherer Bitterstoffverlust bei der Gärung" pauschal nicht richtig ist - ich benenne ein paar wenige:
  • Die Menge an CO2 die entsteht legt nicht die Stammwürze der Anstellwürze fest, sondern die Menge an vergärbarem Extrakt die darin enthalten ist. Ein Bier mit P12 und einem VGs von 85% produziert eine identische Menge an CO2 wie ein Bier mit P13,5 und einem VGs von 75%.
  • Die aufsteigenden CO2-Blasen nebst Umfeld sind nur das Transportmittel, einen Einfluß auf die Löslichkeit der Iso-Alpha-Säuren haben diese nicht und wenn es nichts zu transportieren gibt, hilft auch eine schiere Masse an CO2-Blasen nichts. Vorzugsweise wird transportiert, was unlöslich geworden ist(in diesem Kontext) und damit hängt im Rahmen der Alphasäuren der grösste Teil am pH-Wert(-> pH-Sturz) und nicht an der Stammwürze
  • 40 Millionen Hefezellen/ml Würze inhibieren wesentlich mehr Alphasäuren als das 15 Millionen Hefezellen/ml Würze tun - die Stammwürze spielt dabei keine Rolle.
  • Tankgeometrie, Gärtemperatur und Gärintensität bestimmen in weiten Teilen die Konvektion innerhalb des Bottichs/Tanks. Während sich ein P16 Jungbier mir 0,5 Meter/Sekunde bewegt, kann sich ein P12 Jungbier mir 2,5 Meter/Sekunde bewegen ...
  • Was einmal ausgefallen ist, kann auch wieder in Lösung gehen(pH-Ansteig) und was nach oben gestiegen ist, kann auch wieder absinken - völlig wertfrei von einem Stammwürzegehalt
  • Wird der CO2-Austrieb abgehoben(Kräusen) oder nicht
  • Der Bitterstoffgehalt der Anstellwürze
  • usw. ..
Nicht dass meine Ausführungen gleich wieder in den falschen Hals geraten - die Bitterstoffverluste bei der Hauptgärung können enorm sein, allerdings spielt die Stammwürze dabei eine untergeordnete Rolle.

Während bei der Würzebereitung Alpha-Säuren des Hopfens verloren gehen, gehen bei der Gärung bereits mühsam in Lösung gebrachte Iso-Alpha-Säuren verloren - das ist eine ganz andere Nummer und hat im Rahmen der Bitterstoffausbeute und in der Folge auch für die Berechnung der Hopfengabe einen ganz besonderen Stellenwert.

Nicht ohne Grund komme ich hier immer wieder mal ins Grübeln, wenn an "5 min Nachisomerisierungszeit" rumgemendelt wird, während man die Verluste an Iso-Alphasäuren im Gärkeller gekonnt ignoriert - aber das ist ein anderer Schnack ;-)

Zurück zum Thema - Bier analysieren lassen:
Wenn man dieses Hobby ernsthaft betreibt kann ich nur empfehlen eine Probe von einem Bier, das man vorzugsweise braut, einzuschicken(oder einer Würze).
Das befreit von vielen fremd bestimmten Annahmen(gerade bei der Hopfengabe), zeigt neben den eigenen Messungen die Fakten auf, macht Spaß und verschafft Orientierung.
Eine "kleine Bieranalyse" mit Bitterstoffbestimmung eignet sich perfekt als Geburtstagsgeschenk und fühlt sich auch unter dem Christbaum gut an - zur Not können auch die Herren Nikolaus und Osterhase einen Beitrag leisten ;-)

Gruß
Oli


[Editiert am 6.8.2013 um 21:52 von olibaer]



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Seed7
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red_folder.gif erstellt am: 6.8.2013 um 22:19  

Zitat von olibaer, am 6.8.2013 um 21:18

Wenn man dieses Hobby ernsthaft betreibt kann ich nur empfehlen eine Probe von einem Bier, das man vorzugsweise braut,


Es gibt hier einen bierbrauwettbewerb organisiert von Brand(Heineken) und PINT (bierliebhaber,-consumentenverein). Die top 10 wird gemessen, die resultate mit der Tinseth berechnungen stimmen ziemlich gut ueberein, es sei denn man hat flamme aus/whirpool gehopft, die nachisomisierung wirdt in den formeln nich (genuegend?) mitgenommen (wie ich verstanden habe).

Ingo
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Boludo
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Registriert: 12.11.2008
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red_folder.gif erstellt am: 7.8.2013 um 08:32  
Hallo Oli,

ok, seh ich alles ein, was ist dann aber mit der Tinseth Formel?
Die Werte wurden ja empirisch gemessen und da gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen Stammwürze und Bitterstoffausbeute.
Oder berechnen wir unsere Hopfengaben alle falsch?

Stefan
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flying
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red_folder.gif erstellt am: 7.8.2013 um 09:31  
Irgendwie reden wir aneinander vorbei, meine ich? Die Tinseth-Formel berücksichtigt dies ja alles oder wollt ihr mir erzählen, dass bei jedem Bier die berechneten Isoalphasäuren ja sowieso weitestgehend beim pH-Sturz während der Hauptgärung ausfallen :puzz:

Ich dachte die Frage war nach den max. möglichen Isoalphasäuren in g/L oder IBU in Abhängigkeit von pH-Wert und Löslichkeit. Da behaupte ich einfach mal frech..1000 IBU sind drin :exclam:


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Kubus
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red_folder.gif erstellt am: 7.8.2013 um 09:33  
Die erzeugte CO2-Menge hängt sehr deutlich von der Stammwürze ab. Der Vergärungsgrad spielt natürlich eine entscheidende Rolle. Aber der Vergleich war eher zwischen normalen Voll- und Bockbieren gedacht. Da wird bei höherer Stammwürze einfach mehr CO2 erzeugt.
CO2 ist unpolar, entsprechend haftet an der Oberfläche der aufsteigenden CO2-Blasen auch Iso-alpha-Säure, welche zuvor eigentlich in wässriger Lösung war. Ein weiteres Beispiel für das Ausfällen gelöster Iso-alpha-Säure ist die Filtration, bei der Iso-alpha-Säure im Unfiltrat, bzw. Kieselgurfilterbett durch Adsorption verloren geht.
Durch die CO2-Gaswäsche hat man also durchaus eine erhöhte Ausfällung von noch in Lösung befindlicher Iso-alpha-Säure. Die ausgefällte Iso-alpha-Säure kann zum Teil wieder in Lösung gehen, wenn die Kräusendecke wieder zusammenfällt. Das passiert aber nur zum Teil, da die Oberfläche der Teilchen durch das Zusammenlagern gering ist, sich der pH während der Gärung erniedrigt hat und die Zeit zum Wiederlösen gering ist. Das nutzt man in gewissen Maßen bei der Druckgärung.
Einen deutlichen pH-Anstieg hat man nur bei fehlerhafter Gärführung, schlechter Hefevitalität, Stressfaktoren der Hefe (hohe Stammwürze), zu lange Lagerzeiten auf der Hefe, etc.


Gruß, Ludwig
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Bierwisch
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red_folder.gif erstellt am: 7.8.2013 um 10:20  

Zitat von flying, am 7.8.2013 um 09:31
...Da behaupte ich einfach mal frech..1000 IBU sind drin :exclam:


Danke René! Du machst mir Mut!

Nicht, daß das jetzt zu meiner Obsession werden soll, aber wenn es mal wieder paßt, dann mache ich mit dem Projekt weiter und lasse euch gerne daran teilhaben.

Gruß,
Bierwisch


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Der Klügere kippt nach!
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olibaer
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red_folder.gif erstellt am: 7.8.2013 um 22:54  
Hallo flying, hallo Boludo, hallo Kubus.

Zunächst:
Ich bin völlig einig, dass aufsteigende CO2-Blasen einen Teil der gelösten Iso-Alpha-Säuren auswaschen können und dass mehr vergärbarer Extrakt(nicht die Stammwürze) mehr CO2 produziert.
Ich gehe aber nicht konform mit der pauschalisierten Aussage, dass der Stammwürzegehalt im Jungier(also nach der Isomerisierung in der Pfanne und/oder dem Whirlpool) noch einen bedeuteten Einfluß auf die Gesamtbitterstoffausbeute hat(Fertigbier). Wie ich zu dieser Annahme komme, ist in meinem letzten Beitrag nachzulesen.

(Gesamt)Bitterstoffausbeute:
Ich denke die meisten hier berechnen ihre Hopfengabe, bewusst oder unbewusst, mit dem Ziel:
IBU in der fertig abgefüllte Flasche
Das ist legitim und alles andere würde auch gar keinen Sinn machen und auch Großbrauereien machen das am Ende so(auch wenn sie "zwischendrin" ein paar mehr Werte über die Bitterstoffverhältnisse in den vorgelagerten Produktionsschritten zur Hand haben).

Nüchtern betrachtet setzt sich die (Gesamt)Bitterstoffausbeute aus zwei Teilbereichen zusammen:
  1. Wie viel der durch die Hopfengabe eingebrachten Alpha-Säuren werden in Iso-Alpha-Säuren umgewandelt(Heißbereich)
  2. Wie viel der in der Kaltwürze enthaltenen Iso-Alpha-Säure landen am Ende in der Flasche(Kaltbereich)

1. + 2. in der Summe ergibt die Gesamtbitterstoffausbeute und damit eine Maßzahl, wie viel Hopfen gegeben werden muss.

Auf den Seiten von Tinseth ist nachzulesen, dass er sich ausschließlich mit den Isomerisierungsraten im Heißbereich/der Würze beschäftigt (1.) und auch nur da den Zusammenhang zwischen Stammwürze/Dichte und Kochdauer hergestellt hat(-> mich wundert immer wieder, warum der pH-Wert der Würze hier keine Rolle spielt).

Man darf also festhalten, dass eine "Tinseth-Formel" ausschließlich versucht die Isomerisierungsraten im Heißbereich zu beschreiben, während die Verluste an Iso-Alpha-Säuren im Kaltbereich(Hefegabe, pH-Wert, Gärintensität, Tankgeometrie, Stammwürze, obergärig-untergärig, Sedimentation, Filtration, ...) gänzlich unberücksichtigt bleiben.

Wäre ich jetzt Wissenschafler und müsste diesbezüglich ein finales Urteil abgeben, käme ich gar nich umhin zu formulieren, dass ein Aufeinandertreffen von Ziel-IBU und Ist-IBU im fertigen Bier, alleinig berechnet auf der Basis einer Tinseth-Formel, rein zufällig wären - aber einen Teufel werde ich tun ;-)

Anmerkung:
Ohne Zweifel bietet die Tinseth-Formel in einem orientierungslosem Umfeld(nicht negativ zu werten) einen gewissen Halt, aber ein Hinterfragen der Berechnungsgrundlage sollte dennoch und zu jeder Zeit erlaubt sein und das Bewerten der Voränge nach der Isomerisierung(II.) gehört auch dazu.

...das ist meine Sicht auf die Dinge - nicht mehr, nicht weniger.

Gruß
Oli


[Editiert am 7.8.2013 um 22:55 von olibaer]



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