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Autor: Betreff: Deutsche Sauerbiere: Das Lichtenhainer Bier
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flying
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red_folder.gif erstellt am: 4.9.2011 um 20:17  
Hi Leute,

seit neuesten durchforste ich das Web über alte "Sauerbiere". Leider sterben diese Biere in Deutschland aus. Dabei waren sie früher sehr beliebt. Broihan, Gose und das Hammer Urkeut sind bereits ausgestorben. Die Berliner Weisse wurde früher in über 700 Braustätten in Berlin hergestellt. Und heute....Eine!
So bin ich auch auf das Lichtenhainer Bier gestossen.

http://fzarchiv.sachon.de/index.php?pdf=Fachzeitschriften/Get raenke-Fachzeitschriften/Getraenkefachgrosshandel/1998/02_98/GFGH_02-98_His torische_Biere.pdf

Im Prinzip der Berliner Weissen sehr ähnlich aber mit einem Teil geräucherten Malz. Die Laktobazillen wurden zur Nachgärung zugegeben. Der letzte Vertreter ist wohl das Wöllnitzer Weißbier Schankbier. Hier bei BTO getestet:

http://www.biertest-online.de/cgi-bin/show/ebs.pl?Data=woelln itzer_weissbier_schankbier

Bei der Berliner Weissen erstaunt mich immer wieder, wieviel Geschmack und Aroma die Milchsäuregärung aus einem dünnen Schankbier holt. Gerade wir Hobbybrauer sollten uns doch auch um die Pflege dieser alten deutschen Stile bemühen.. Leider kommt aber auch bei 8241 angemeldeten Usern nicht viel rum ;(
Dabei bin ich überzeugt, dass es in allen Gegenden Deutschlands früher Sauerbiere auf die eine oder andere Art gab.

Ich werden mir auf jeden Fall die Erhaltung der deutschen Sauerbiere auf die Brauerfahne schreiben. Nicht ausschliesslich...von Zeit zu Zeit eben mal einen Versuch starten. Die "sauren" Biere haben einen unschlagbaren Vorteil...Die werden niemals schlecht, denn nach heutiger Vorstellung sind sie das schon! Tatsächlich hat ein dünnes, milchsaures Schankbier wie die Berliner Weisse eine fast unbegrenzte Haltbarkeit...

Also wer noch Informationen über alte deutsche Sauerbiere hat...immer her damit!

m.f.g
René


[Editiert am 7.9.2011 um 13:44 von flying]



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red_folder.gif erstellt am: 4.9.2011 um 21:39  
Rene, ich denke so wie Du.
Ich habe mir als junger Kerl mal zum Ziel gesetzt, aus jeder deutschen Brauerei zu kosten um die Bierkultur Deutschlands zu erleben.

Schier unmöglich :puzz:

Saure Biere gehören sicher auch zur Tradition. Ist halt nur wirklich blöde, daß ich Zeit meines Lebens ein Problem mit Namen habe, sonst wüßte ich wie das Bier hieß, welches damals (da war ich 14 oder 15) in der Eifel so goil durch meine Kehle floß.
Wenn Du Rezepte für Sauerbiere auftreibst, bitte, stell sie uns vor. Die BW war nicht das einzige Sauerbier. Sie hat leider nur als Einzige den Wandel der Zeit überlebt.
Aber vielleicht liegt´s wirklich nur dran, daß das Selberbrauen seit der Mitte der 60er, dem sogenannten Wirtschaftswunder, durch die Massenbierhaltung erdrückt wurde und somit die Vielfalt auf der Strecke blieb.
Heute beschweren sich die Zollämter, daß die Zahl der Meldungen von Heim- und Hobbybrauern dramatisch ansteigen. Vielleicht ist das ein Zeichen der Zeit und wir kommen wieder dahin, daß der Eine oder Andere seinen Sud als absolut missglückt bewertet und Andere ihn dafür in den Himmel loben.
Bier ist meine Passion und ich propagiere sie auch laut. In der dritten Septemberwoche werde ich einen Kumpel in die "Kunst" des Bierkitbrauens einführen und ich hoffe, daß er danach lichterloh brennt.
Du hast mir Einiges voraus, teile es. Ich bin dabei :)


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andreas23
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red_folder.gif erstellt am: 4.9.2011 um 21:44  
Ähnliche Gedanken schossen mir auch schon durch den Kopf. Da muß man etwas tun, und ich werde mich dann wohl mal an einer Berliner Weißen probieren.

Gose gibt es übrigens noch (oder muß man sagen, wieder?), aber Broihan ist wohl tatsächlich ausgestorben.
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flying
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red_folder.gif erstellt am: 4.9.2011 um 21:58  
Hi Leute,

danke fürs Interesse! Wenn ich Rezepte finde, werde ich sie natürlich posten. Dazu muss man sagen, dass die Gärung mit Mischkulturen oder gestaffelt eine hohe Braukunst ist, die heute kaum jemand noch beherrscht.

Die Gose bieten wohl 2 Gasthausbrauereien lokal wieder an. Eine im Harz und eine in Leipzig. Dabei handelt es sich aber meines Wissens nicht um das ursprüngliche Sauerbier, sondern um "normales" Obergäriges, dem noch etwas Koriander und Salz zugesetzt ist...


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red_folder.gif erstellt am: 4.9.2011 um 22:03  
Mir fällt in diesem Zusammenhang eben etwas ein.
*grummel* ich werde suchen müssen, bis ich schwarz bin :(

Kalbslab, ein Ferment aus dem Kälbermagen, wird regelmäßig in der Käseproduktion eingesetzt. Aber ich erinnere mich, irgendwann mal mitbekommen zu haben, daß es auch beim Brauen verwendet wurde. Weiß nur ned mehr, ob es vor oder nach der Hauptgärung ins Bier kam.
Was ich aber noch weiß, ist daß das Bier richtig sauer wurde.

Wenn ich die Beschreibung noch finde, stell ich sie hier vor.


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andreas23
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red_folder.gif erstellt am: 4.9.2011 um 22:25  

Zitat von flying, am 4.9.2011 um 21:58

Die Gose bieten wohl 2 Gasthausbrauereien lokal wieder an. Eine im Harz und eine in Leipzig. Dabei handelt es sich aber meines Wissens nicht um das ursprüngliche Sauerbier, sondern um "normales" Obergäriges, dem noch etwas Koriander und Salz zugesetzt ist...


Also sowohl die Gose aus der Gosebrauerei im Bayerischen Bahnhof in Leipzig als auch die Original Ritterguts Gose werden mit Milchsäurebakterien und Weizen in der Schüttung hergestellt. Was nicht traditionell ist, ist der Wegfall der Spontangärung, da sind die Belgier die einzigen, die das noch praktizieren.

Bei der Gose aus dem Brauhaus Goslar wäre ich mir nicht so sicher, da müßte man mal nachfragen. Letzteres behauptet auch auf seiner Webseite, es bestünde ein Unterschied zwischen Goslarer Gose und Leipziger Gose.
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hoepfli
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red_folder.gif erstellt am: 5.9.2011 um 17:00  
Also, wer mal in Leipzig ist, sollte unbedingt in die Gosenbrauerei im Bayerischen Bahnhof gehen. Mehrere selbstgebraute, sehr gute Biere stehen dort zur Auswahl und das Essen ist auch richtig lecker.

Angeregt durch diesen Thread durchstöberte ich meinen Kühlschrank und fand da noch was.

Kalt getrunken, ein echt guter Durstlöscher! Lecker

Gruß Volco
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flying
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red_folder.gif erstellt am: 5.9.2011 um 21:42  
Hi Freunde des Sauerbieres,

jo, somit sind die Leipziger Gose Biere mit Milchsäuregärung. Die Goslarer Gose, die ich kenne, ist es nicht. Komisch..wir diskutieren über das Reinheitsgebot und diese Biere waren noch vor hundert Jahren sprichwörtlich in aller Munde...gebraut mit, und ohne Hopfen. Mit Salz, Koriander und anderem.
Das Lichtenhainer wird wohl ohne Hobbybrauer untergehen... ;( ;(


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red_folder.gif erstellt am: 6.9.2011 um 14:33  
Das Wöllnitzer Weißbier als wahrscheinlich letzter Vetreter des Lichtenhainers ist wohl auch schon mal ausgestorben und wiederbelebt worden...


http://www.tlz.de/startseite/detail/-/specific/Woellnitzer-We issbier-gilt-als-lukullischer-Geheimtipp-1485015011


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red_folder.gif erstellt am: 6.9.2011 um 14:57  
Coole Story :cool:

Du sagst, daß Lichtenhainer und Co. ohne die Hobbybrauer wahrscheinlich endgültig aussterben werden.
Ich denke, die wichtigste Voraussetzung, daß diese Biere durch der Hobbybrauer Handwerk wieder an Boden gewinnen und / oder gar wieder aus der Versenkung auftauchen, ist Neugierde. Und diese Neugierde setzt das Vorhandensein von Rezepturen, welche geeignet sind den Einen oder Anderen zum Ausprobieren zu verleiten, voraus.

Die Suche sollte sich also nicht nur auf die historischen Begebenheiten und Belege für diese Biere, sondern auch auf die Rezepturen beziehen.
Denn ohne historische Rezepte, können wir allenfalls Ähnlichkeiten, kaum aber wirkliche Nachfolger der Originale schaffen.

Der von Dir vorgestellte Artikel belegt das sehr deutlich. Der Wöllnitzer Brauer hat ja auch mit einem Origninal-Rezept begonnen.


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red_folder.gif erstellt am: 6.9.2011 um 15:09  
Ja, genau da ist der Knackpunkt! Orginalrezepturen sind sehr schwer bis garnicht zu bekommen. Grundrezepturen findet man manchmal in alten Braubüchern. Eventuell sind Rezepte in verstaubten Stadtarchiven zu finden...
Kollege Braumeise hat wohl auch schon Stadtarchive auf der Suche nach dem Keut-Bier durchforscht.

http://hobbybrauer.de/modules.php?name=eBoard&file=viewthread &tid=9059#pid92006

Das ist schon Detektivarbeit aber manchen Leuten soll gerade das ja Spaß machen :) Oftmals handelt es sich ja auch nicht um ein einziges, in Stein gemeisseltes Rezept. Deshalb ist es gut möglich, ohne Orginalrezepturen einen Bierstil wieder aufleben zu lassen. Man muss eben die typischen Merkmale des Bieres kennen...


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red_folder.gif erstellt am: 6.9.2011 um 15:19  
Letztes Jahr haben Sebastian Sauer (Beirkompass.de) und Peter Esser (Helios-Braustelle Köln) mit dem Freigeist Abraxas und dem Freigeist Abraxxxas zwei Interpretationen des Lichtenhainers gebraut - mit deutlich vernehmbaren Rauchmalzanteil. Die waren ziemlich gut, v.a. das Abraxxas mit 6%. Wäre schön, wenn die mal wieder gebraut werden würden.

Ansonsten: Ron Pattinson veröffentlicht in seinem Blog "Shut up about Barclay Perkins" Interessantes zu alten Bierstilen und Braumethoden. Es lohnt sich, die "Labels" links unten mal nach Sortenbezeichnungen wie Broyhan, Leipziger Gose, Adambier, German Porter, Lichtenhainer, u.a. zu durchsuchen.
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flying
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red_folder.gif erstellt am: 6.9.2011 um 15:28  
Joo, seidel! Hab Deinen Test bei BTO gefunden. Super.. :thumbup:

http://www.biertest-online.de/cgi-bin/show/ebs.pl?Data=freige ist_bierkultur_abraxxxas


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andreas23
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red_folder.gif erstellt am: 6.9.2011 um 15:35  
Der Blog-Link ist ja sehr interessant! Und ein bißchen beschämend, daß so ein Reichtum an Informationen über deutsche Biere von einem briten zusammengetragen wird.

Einer der Einträge behauptet, Berliner Weisse würde ohne Kochen der Maische produziert? kann dazu jemand etwas sagen?

Von Grätzer als Bierstil habe ich ja auch noch nie etwas gehört, interessant. Mal mehr klicken.
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red_folder.gif erstellt am: 6.9.2011 um 15:47  
Wenn die BW tatsächlich so wie schon mehrfach gehört, ein eher zufällig entstandenes Sauerbier ist, dann KÖNNTE es meines Erachtens tatsächlich so sein, daß eben genau dieses Nicht-Kochen die Ursache für die Entstehung der BW war.
Nicht gekocht bedeutet doch nicht steril. Und nicht steril bietet natürlich unseren unsichtbaren Freunden und Feinden den Nährboden.
Wenn also damals vergessen wurde zu kochen, oder das Feuer ausging und der Brauer schlicht versuchte, zu retten was zu retten ist, dann könnte das Ergebnis tatsächlich die Weiße gewesen sein.
Problematisch wäre in diesem Fall natürlich zwangsläufig die Reproduzierbarkeit gewesen, denn die hätte - wäre weiterhin ohne Kochen an den Sud heran gegangen worden - vergleichbar extreme Anforderungen an eine gleichbleibende "Qualität" des Brauortes gestellt.

Meine Idee zu diesem Ansatz ;)


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red_folder.gif erstellt am: 6.9.2011 um 15:57  
Andere Idee: Früher, bei Holzfasslager und v.a. bei spontaner Gärung, wurden alle Biere früher oder später sauer. Der Verzichte auf's Kochen (und auf Hopfen) bedeutet hier, dass man nicht versucht, die Säuerung zu bremsen.

Was anderes: Die Bergmann Brauerei Dortmund hat neulich Adambier verkauft, ein dunkles Starkbier mit min. halbjährigen Holzfassausbau. Im Moment ist's ausverkauft und ich hab's verpasst. Dieses Jahr soll aber nochmal ein Sud auf den Markt kommen.
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andreas23
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red_folder.gif erstellt am: 6.9.2011 um 16:04  
Naja, was heißt hier zufällig... das sind ja alles Abkömmlinge des Broihan, eines gesäuerten Weißbieres. Das ist also schon alles Absicht.

Allerdings wurde früher auch mit spontaner Gärung gearbeitet, also insgesamt einem Lambic gar nicht mal so unähnlich.
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flying
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red_folder.gif erstellt am: 6.9.2011 um 16:53  
Ja genau! So um 1526 entwickelte der legendäre Braumeister Conrad (Cord) Broihan sein saures Weizenbier. Allerdings hat auch er dieses Bier nicht erfunden. Er versuchte nur ein Bier nachzumachen, wie er es in Hamburg kennengelernt hatte. Dieses Bier war sehr beliebt und verbreitete sich in Windeseile über den gesamten Nord-und-Mitteldeutschen Raum. Berühmte Abkömmlinge sind wohl das Lichtenhainer und die Berliner Weisse. Vermutlich stammen auch Gose und Keut davon ab. Damals ging es vor allem um Haltbarkeit und Bekömmlichkeit. Milchsaures Bier ist um Längen haltbarer als normales Obergäriges.

Etwa zu der gleichen Zeit entwickelte sich in der Oberpfalz und Franken die untergärige Brauweise. Angeblich soll die dazu nötige Hefe ja auf einem Stück Holz oder im Magen einer Fliege aus Patagonien über den Antlantik zu uns hergeschwommen sein...
Unergäriges Bier ist durch die tiefen Gär-und-Lagertemperaturen bekanntermassen ebenfalls länger haltbar. Damals war das eher ein Nischenprodukt gegenüber den allseits beliebten Sauerbieren. Welches Bier sich im Endeffekt durchgesetzt hat ist ja hinlänglich bekannt...

Bei den Belgiern hat diese Art der Bierkultur überlebt.


[Editiert am 6.9.2011 um 16:54 von flying]



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red_folder.gif erstellt am: 6.9.2011 um 18:36  
Bei den wenigsten Bieren wird die Maische gekocht.
Bei allen Rezepten der Berliner Weißen, die mir bisher untergekommen sind, wird aber die Würze zumindest kurz gekocht.
Da aber Berliner Weiße zu ihren Hochzeiten in Berlin in mehreren hundert Brauereien gebraut wurde, wird es sicher fast ebenso viele Rezeptvarianten geben, meine findet man hier. Heute würde ich das Caramalz allerdings weglassen und statt der Dekoktion im zweitem Maischschritt nur heizen, das macht das Bier noch heller und leichter.


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flying
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red_folder.gif erstellt am: 6.9.2011 um 18:57  
Hi Jörg,

ja leider ist das Kindl (oder Deines und Erlenmeyers) die letzten seiner Art. Was gäbe ich darum mal einen Streifzug durch Berlin zu machen...vor hundert Jahren! Es gibt ja dieses Buch "Die Berliner Weisse" von dem Brauwissenschaftler Gerolf Annemüller. Für 25 € nicht gerade günstig aber vielleicht bringt das neue Erkenntnisse...
Das Wöllnitzer gibt es z. B. auch als Vollbier. Die Sauren müssen nicht immer Schankbiere sein. Die Kunst der kombi-oder-gestaffelten Gärung kann man wohl nur noch von den Belgien lernen...
Aber die arbeiten mit anderen Kulturen...ein Dilemma ;(


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red_folder.gif erstellt am: 6.9.2011 um 19:18  

Zitat von flying, am 4.9.2011 um 20:17
...Also wer noch Informationen über alte deutsche Sauerbiere hat...immer her damit!...René


Hi Rene,
habe da einen Artikel über "Goslarische Gose" inkl. Rezept. Aus dem "Scandinavian Brewers Review" 2/11. In Englisch, gescannt als PDF. Falls Du - oder auch jeder andere- Interesse hat, maile ich die Datei gern.
VG
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flying
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red_folder.gif erstellt am: 6.9.2011 um 19:24  
Immer her damit :thumbup:


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andreas23
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red_folder.gif erstellt am: 6.9.2011 um 20:12  
So, ich glaube, ich habe des Rätsels Lösung gefunden, und zwar in einem Rezept für Berliner Weiße aus einem britischen Buch von 1834, gefunden beim oben erwähnten Blog (http://barclayperkins.blogspot.com/2009/05/berliner-weisse-18 30s-style.html). Da heißt es:

Zitat:
After an hour allowed for infusion, two barrels of the worts are taken from the top of the mash and put into the copper, where they are mixed with fifteen pounds of fine hops, and boiled a quarter of an hour. This boiling is interrupted by the introduction of four barrels more of worts, taken also from the top of the mash. There have been now six barrels of worts altogether put into the copper; and these, along with the hops, as soon as they are raised to 75 degrees of Reaumur (201 of Fahrenheit), are, with the exception of a barrel left to keep the bottom of the copper from burning, turned back into the mash-tun, where, after being mashed a few minutes, they are left to stand half an hour for infusion.


Mit anderen Worten, es wurde eine Dekoktion betrieben, bei der ja tatsächlich ein Teil der Maische gekocht wird. Der Kommentar mit "die Maische wird nicht gekocht" stammt aus einem anderen Buch 70 Jahre später, und deutet darauf hin, daß statt der Dekoktion eine reine Infusion verwendet wurde, eventuell haben sich da Sachen geändert.

Spannenderweise wird in dem Rezept von 1830 nicht davon geredet, daß die Würze gekocht wird! Stattdessen wird der Hopfen bei der Dekoktion mitgekocht.

@Berliner: ja, dein Rezept sieht ungefähr so aus, wie ich das heute auch probieren würde. Erst ansäuern, dann fertig gären. Damals lief das wohl mit einer Mischung aus Hefe und Milchsäurebakterien, die Hefe wurde dabei von der sich bildenden Hefedecke während der Hauptgärung geerntet, nicht wie heute nach der Gärung vom Boden.

Ich hab mir mal das Buch vom VLB bestellt, mal gucken, was da noch so aufschlußreiches drinsteht.
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flying
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red_folder.gif erstellt am: 6.9.2011 um 20:24  
Das Problem bei der Methode von Jörg/Berliner ist folgendes. Es wird nie ein echtes Sauerbier. Bei der Methode könnte ich mir auch auch Milchsäure aus der Apotheke kaufen und das Bier, je nach Geschmack, sauer machen...
Die echte Kombigärung heißt auch, dass das Bier extrem hochvergoren wird. Die Laktos knacken fast alle Restzucker. Über die besonderen, geschmacksbildenden Eigenschaften durch Wechselwirkung bei Mischgärung will ich gar nicht reden...


[Editiert am 6.9.2011 um 20:24 von flying]



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andreas23
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red_folder.gif erstellt am: 7.9.2011 um 05:24  
Guter Punkt. Spannenderweise scheint die einzig verbliebene Berliner Weiße auch nicht nach dem traditionellen Kombigärungsverfahren hergestellt zu werden. Stattdessen wird je ein Teil der Maische mit Milchsäurebakterien und mit Hefe angestellt, die vergorenen Teilmaischen später zusammengefügt.

Es hat wohl auch bis etwa 1830 gedauert, bis die Weißbierbrauer eine Hefe-Lactobazillus-Kultur hatten, die unbegrenzt geerntet und weitergeführt werden konnte. Vorher mußte die Hefe regelmäßig aufgefrischt werden, damit sie nicht zu sauer wurde. Die entsprechenden Mischkulturen dürften schlicht ausgestorben sein, was die Reproduktion für uns Hobbybrauer beliebig schwierig macht.
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