Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 4.9.2011 um 20:17 |
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Hi Leute,
seit neuesten durchforste ich das Web über alte "Sauerbiere". Leider
sterben diese Biere in Deutschland aus. Dabei waren sie früher sehr
beliebt. Broihan, Gose und das Hammer Urkeut sind bereits ausgestorben. Die
Berliner Weisse wurde früher in über 700 Braustätten in Berlin hergestellt.
Und heute....Eine!
So bin ich auch auf das Lichtenhainer Bier gestossen.
http://fzarchiv.sachon.de/index.php?pdf=Fachzeitschriften/Get
raenke-Fachzeitschriften/Getraenkefachgrosshandel/1998/02_98/GFGH_02-98_His
torische_Biere.pdf
Im Prinzip der Berliner Weissen sehr ähnlich aber mit einem Teil
geräucherten Malz. Die Laktobazillen wurden zur Nachgärung zugegeben. Der
letzte Vertreter ist wohl das Wöllnitzer Weißbier Schankbier. Hier bei BTO
getestet:
http://www.biertest-online.de/cgi-bin/show/ebs.pl?Data=woelln
itzer_weissbier_schankbier
Bei der Berliner Weissen erstaunt mich immer wieder, wieviel Geschmack und
Aroma die Milchsäuregärung aus einem dünnen Schankbier holt. Gerade wir
Hobbybrauer sollten uns doch auch um die Pflege dieser alten deutschen
Stile bemühen.. Leider kommt aber auch bei 8241 angemeldeten Usern nicht
viel rum
Dabei bin ich überzeugt, dass es in allen Gegenden Deutschlands früher
Sauerbiere auf die eine oder andere Art gab.
Ich werden mir auf jeden Fall die Erhaltung der deutschen Sauerbiere auf
die Brauerfahne schreiben. Nicht ausschliesslich...von Zeit zu Zeit eben
mal einen Versuch starten. Die "sauren" Biere haben einen unschlagbaren
Vorteil...Die werden niemals schlecht, denn nach heutiger Vorstellung sind
sie das schon! Tatsächlich hat ein dünnes, milchsaures Schankbier wie die
Berliner Weisse eine fast unbegrenzte Haltbarkeit...
Also wer noch Informationen über alte deutsche Sauerbiere hat...immer her
damit!
m.f.g
René
[Editiert am 7.9.2011 um 13:44 von flying]
____________________ "Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
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Posting Freak Beiträge: 5714 Registriert: 16.8.2011 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 4.9.2011 um 21:39 |
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Rene, ich denke so wie Du.
Ich habe mir als junger Kerl mal zum Ziel gesetzt, aus jeder deutschen
Brauerei zu kosten um die Bierkultur Deutschlands zu erleben.
Schier unmöglich
Saure Biere gehören sicher auch zur Tradition. Ist halt nur wirklich blöde,
daß ich Zeit meines Lebens ein Problem mit Namen habe, sonst wüßte ich wie
das Bier hieß, welches damals (da war ich 14 oder 15) in der Eifel so goil
durch meine Kehle floß.
Wenn Du Rezepte für Sauerbiere auftreibst, bitte, stell sie uns vor. Die BW
war nicht das einzige Sauerbier. Sie hat leider nur als Einzige den Wandel
der Zeit überlebt.
Aber vielleicht liegt´s wirklich nur dran, daß das Selberbrauen seit der
Mitte der 60er, dem sogenannten Wirtschaftswunder, durch die
Massenbierhaltung erdrückt wurde und somit die Vielfalt auf der Strecke
blieb.
Heute beschweren sich die Zollämter, daß die Zahl der Meldungen von Heim-
und Hobbybrauern dramatisch ansteigen. Vielleicht ist das ein Zeichen der
Zeit und wir kommen wieder dahin, daß der Eine oder Andere seinen Sud als
absolut missglückt bewertet und Andere ihn dafür in den Himmel loben.
Bier ist meine Passion und ich propagiere sie auch laut. In der dritten
Septemberwoche werde ich einen Kumpel in die "Kunst" des Bierkitbrauens
einführen und ich hoffe, daß er danach lichterloh brennt.
Du hast mir Einiges voraus, teile es. Ich bin dabei ____________________ Botschafter der WBBBB in Hessen
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Hobbybrauer. TrashHunters Leitfaden für Einsteiger.2014
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Posting Freak Beiträge: 954 Registriert: 1.5.2011 Status: Offline
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erstellt am: 4.9.2011 um 21:44 |
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Ähnliche Gedanken schossen mir auch schon durch den Kopf. Da muß man etwas
tun, und ich werde mich dann wohl mal an einer Berliner Weißen
probieren.
Gose gibt es übrigens noch (oder muß man sagen, wieder?), aber Broihan ist
wohl tatsächlich ausgestorben.
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Antwort 2 |
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Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 4.9.2011 um 21:58 |
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Hi Leute,
danke fürs Interesse! Wenn ich Rezepte finde, werde ich sie natürlich
posten. Dazu muss man sagen, dass die Gärung mit Mischkulturen oder
gestaffelt eine hohe Braukunst ist, die heute kaum jemand noch
beherrscht.
Die Gose bieten wohl 2 Gasthausbrauereien lokal wieder an. Eine im Harz und
eine in Leipzig. Dabei handelt es sich aber meines Wissens nicht um das
ursprüngliche Sauerbier, sondern um "normales" Obergäriges, dem noch etwas
Koriander und Salz zugesetzt ist...
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Antwort 3 |
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Posting Freak Beiträge: 5714 Registriert: 16.8.2011 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 4.9.2011 um 22:03 |
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Mir fällt in diesem Zusammenhang eben etwas ein.
*grummel* ich werde suchen müssen, bis ich schwarz bin
Kalbslab, ein Ferment aus dem Kälbermagen, wird regelmäßig in der
Käseproduktion eingesetzt. Aber ich erinnere mich, irgendwann mal
mitbekommen zu haben, daß es auch beim Brauen verwendet wurde. Weiß nur ned
mehr, ob es vor oder nach der Hauptgärung ins Bier kam.
Was ich aber noch weiß, ist daß das Bier richtig sauer wurde.
Wenn ich die Beschreibung noch finde, stell ich sie hier vor. ____________________ Botschafter der WBBBB in Hessen
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Antwort 4 |
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Posting Freak Beiträge: 954 Registriert: 1.5.2011 Status: Offline
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erstellt am: 4.9.2011 um 22:25 |
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Zitat von flying, am 4.9.2011 um
21:58 |
Die Gose bieten wohl 2 Gasthausbrauereien lokal wieder an. Eine im Harz und
eine in Leipzig. Dabei handelt es sich aber meines Wissens nicht um das
ursprüngliche Sauerbier, sondern um "normales" Obergäriges, dem noch etwas
Koriander und Salz zugesetzt ist...
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Also sowohl die Gose aus der Gosebrauerei im Bayerischen Bahnhof in Leipzig
als auch die Original Ritterguts Gose werden mit Milchsäurebakterien und
Weizen in der Schüttung hergestellt. Was nicht traditionell ist, ist der
Wegfall der Spontangärung, da sind die Belgier die einzigen, die das noch
praktizieren.
Bei der Gose aus dem Brauhaus Goslar wäre ich mir nicht so sicher, da müßte
man mal nachfragen. Letzteres behauptet auch auf seiner Webseite, es
bestünde ein Unterschied zwischen Goslarer Gose und Leipziger Gose.
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Antwort 5 |
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Posting Freak Beiträge: 2942 Registriert: 29.4.2010 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 5.9.2011 um 17:00 |
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Also, wer mal in Leipzig ist, sollte unbedingt in die Gosenbrauerei im
Bayerischen Bahnhof gehen. Mehrere selbstgebraute, sehr gute Biere stehen
dort zur Auswahl und das Essen ist auch richtig lecker.
Angeregt durch diesen Thread durchstöberte ich meinen Kühlschrank und fand
da noch was.
Kalt getrunken, ein echt guter Durstlöscher! Lecker
Gruß Volco
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Antwort 6 |
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Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 5.9.2011 um 21:42 |
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Hi Freunde des Sauerbieres,
jo, somit sind die Leipziger Gose Biere mit Milchsäuregärung. Die Goslarer
Gose, die ich kenne, ist es nicht. Komisch..wir diskutieren über das
Reinheitsgebot und diese Biere waren noch vor hundert Jahren sprichwörtlich
in aller Munde...gebraut mit, und ohne Hopfen. Mit Salz, Koriander und
anderem.
Das Lichtenhainer wird wohl ohne Hobbybrauer untergehen... ____________________ "Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
(John Ciardi)
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Antwort 7 |
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Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 6.9.2011 um 14:33 |
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Antwort 8 |
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Posting Freak Beiträge: 5714 Registriert: 16.8.2011 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 6.9.2011 um 14:57 |
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Coole Story
Du sagst, daß Lichtenhainer und Co. ohne die Hobbybrauer wahrscheinlich
endgültig aussterben werden.
Ich denke, die wichtigste Voraussetzung, daß diese Biere durch der
Hobbybrauer Handwerk wieder an Boden gewinnen und / oder gar wieder aus der
Versenkung auftauchen, ist Neugierde. Und diese Neugierde setzt das
Vorhandensein von Rezepturen, welche geeignet sind den Einen oder Anderen
zum Ausprobieren zu verleiten, voraus.
Die Suche sollte sich also nicht nur auf die historischen Begebenheiten und
Belege für diese Biere, sondern auch auf die Rezepturen beziehen.
Denn ohne historische Rezepte, können wir allenfalls Ähnlichkeiten, kaum
aber wirkliche Nachfolger der Originale schaffen.
Der von Dir vorgestellte Artikel belegt das sehr deutlich. Der Wöllnitzer
Brauer hat ja auch mit einem Origninal-Rezept begonnen. ____________________ Botschafter der WBBBB in Hessen
Brauen ist die wahre Alchemie
Hobbybrauer. TrashHunters Leitfaden für Einsteiger.2014
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Antwort 9 |
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Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 6.9.2011 um 15:09 |
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Ja, genau da ist der Knackpunkt! Orginalrezepturen sind sehr schwer bis
garnicht zu bekommen. Grundrezepturen findet man manchmal in alten
Braubüchern. Eventuell sind Rezepte in verstaubten Stadtarchiven zu
finden...
Kollege Braumeise hat wohl auch schon Stadtarchive auf der Suche nach dem
Keut-Bier durchforscht.
http://hobbybrauer.de/modules.php?name=eBoard&file=viewthread
&tid=9059#pid92006
Das ist schon Detektivarbeit aber manchen Leuten soll gerade das ja Spaß
machen Oftmals handelt es sich ja auch nicht um ein einziges,
in Stein gemeisseltes Rezept. Deshalb ist es gut möglich, ohne
Orginalrezepturen einen Bierstil wieder aufleben zu lassen. Man muss eben
die typischen Merkmale des Bieres kennen... ____________________ "Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
(John Ciardi)
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Antwort 10 |
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Senior Member Beiträge: 111 Registriert: 24.11.2010 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 6.9.2011 um 15:19 |
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Letztes Jahr haben Sebastian Sauer (Beirkompass.de) und Peter Esser
(Helios-Braustelle Köln) mit dem Freigeist Abraxas und dem Freigeist
Abraxxxas zwei Interpretationen des Lichtenhainers gebraut - mit deutlich
vernehmbaren Rauchmalzanteil. Die waren ziemlich gut, v.a. das Abraxxas mit
6%. Wäre schön, wenn die mal wieder gebraut werden würden.
Ansonsten: Ron Pattinson veröffentlicht in seinem Blog "Shut up about
Barclay Perkins" Interessantes zu alten Bierstilen und Braumethoden. Es
lohnt sich, die "Labels" links unten mal nach Sortenbezeichnungen wie
Broyhan, Leipziger Gose, Adambier, German Porter, Lichtenhainer, u.a. zu
durchsuchen.
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Antwort 11 |
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Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 6.9.2011 um 15:28 |
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Antwort 12 |
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Posting Freak Beiträge: 954 Registriert: 1.5.2011 Status: Offline
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erstellt am: 6.9.2011 um 15:35 |
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Der Blog-Link ist ja sehr interessant! Und ein bißchen beschämend, daß so
ein Reichtum an Informationen über deutsche Biere von einem briten
zusammengetragen wird.
Einer der Einträge behauptet, Berliner Weisse würde ohne Kochen der Maische
produziert? kann dazu jemand etwas sagen?
Von Grätzer als Bierstil habe ich ja auch noch nie etwas gehört,
interessant. Mal mehr klicken.
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Antwort 13 |
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Posting Freak Beiträge: 5714 Registriert: 16.8.2011 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 6.9.2011 um 15:47 |
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Wenn die BW tatsächlich so wie schon mehrfach gehört, ein eher zufällig
entstandenes Sauerbier ist, dann KÖNNTE es meines Erachtens tatsächlich so
sein, daß eben genau dieses Nicht-Kochen die Ursache für die Entstehung der
BW war.
Nicht gekocht bedeutet doch nicht steril. Und nicht steril bietet natürlich
unseren unsichtbaren Freunden und Feinden den Nährboden.
Wenn also damals vergessen wurde zu kochen, oder das Feuer ausging und der
Brauer schlicht versuchte, zu retten was zu retten ist, dann könnte das
Ergebnis tatsächlich die Weiße gewesen sein.
Problematisch wäre in diesem Fall natürlich zwangsläufig die
Reproduzierbarkeit gewesen, denn die hätte - wäre weiterhin ohne Kochen an
den Sud heran gegangen worden - vergleichbar extreme Anforderungen an eine
gleichbleibende "Qualität" des Brauortes gestellt.
Meine Idee zu diesem Ansatz ____________________ Botschafter der WBBBB in Hessen
Brauen ist die wahre Alchemie
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Antwort 14 |
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Senior Member Beiträge: 111 Registriert: 24.11.2010 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 6.9.2011 um 15:57 |
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Andere Idee: Früher, bei Holzfasslager und v.a. bei spontaner Gärung,
wurden alle Biere früher oder später sauer. Der Verzichte auf's Kochen (und
auf Hopfen) bedeutet hier, dass man nicht versucht, die Säuerung zu
bremsen.
Was anderes: Die Bergmann Brauerei Dortmund hat neulich Adambier verkauft,
ein dunkles Starkbier mit min. halbjährigen Holzfassausbau. Im Moment ist's
ausverkauft und ich hab's verpasst. Dieses Jahr soll aber nochmal ein Sud
auf den Markt kommen.
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Antwort 15 |
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Posting Freak Beiträge: 954 Registriert: 1.5.2011 Status: Offline
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erstellt am: 6.9.2011 um 16:04 |
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Naja, was heißt hier zufällig... das sind ja alles Abkömmlinge des Broihan,
eines gesäuerten Weißbieres. Das ist also schon alles Absicht.
Allerdings wurde früher auch mit spontaner Gärung gearbeitet, also
insgesamt einem Lambic gar nicht mal so unähnlich.
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Antwort 16 |
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Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 6.9.2011 um 16:53 |
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Ja genau! So um 1526 entwickelte der legendäre Braumeister Conrad (Cord)
Broihan sein saures Weizenbier. Allerdings hat auch er dieses Bier nicht
erfunden. Er versuchte nur ein Bier nachzumachen, wie er es in Hamburg
kennengelernt hatte. Dieses Bier war sehr beliebt und verbreitete sich in
Windeseile über den gesamten Nord-und-Mitteldeutschen Raum. Berühmte
Abkömmlinge sind wohl das Lichtenhainer und die Berliner Weisse. Vermutlich
stammen auch Gose und Keut davon ab. Damals ging es vor allem um
Haltbarkeit und Bekömmlichkeit. Milchsaures Bier ist um Längen haltbarer
als normales Obergäriges.
Etwa zu der gleichen Zeit entwickelte sich in der Oberpfalz und Franken die
untergärige Brauweise. Angeblich soll die dazu nötige Hefe ja auf einem
Stück Holz oder im Magen einer Fliege aus Patagonien über den Antlantik zu
uns hergeschwommen sein...
Unergäriges Bier ist durch die tiefen Gär-und-Lagertemperaturen
bekanntermassen ebenfalls länger haltbar. Damals war das eher ein
Nischenprodukt gegenüber den allseits beliebten Sauerbieren. Welches Bier
sich im Endeffekt durchgesetzt hat ist ja hinlänglich bekannt...
Bei den Belgiern hat diese Art der Bierkultur überlebt.
[Editiert am 6.9.2011 um 16:54 von flying]
____________________ "Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
(John Ciardi)
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Antwort 17 |
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Moderator Beiträge: 4024 Registriert: 7.4.2006 Status: Offline
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erstellt am: 6.9.2011 um 18:36 |
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Bei den wenigsten Bieren wird die Maische gekocht.
Bei allen Rezepten der Berliner Weißen, die mir bisher untergekommen sind,
wird aber die Würze zumindest kurz gekocht.
Da aber Berliner Weiße zu ihren Hochzeiten in Berlin in mehreren hundert
Brauereien gebraut wurde, wird es sicher fast ebenso viele Rezeptvarianten
geben, meine findet man hier. Heute würde ich das Caramalz allerdings weglassen
und statt der Dekoktion im zweitem Maischschritt nur heizen, das macht das
Bier noch heller und leichter. ____________________ Gruß vom Berliner
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Antwort 18 |
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Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 6.9.2011 um 18:57 |
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Hi Jörg,
ja leider ist das Kindl (oder Deines und Erlenmeyers) die letzten seiner
Art. Was gäbe ich darum mal einen Streifzug durch Berlin zu machen...vor
hundert Jahren! Es gibt ja dieses Buch "Die Berliner Weisse" von dem
Brauwissenschaftler Gerolf Annemüller. Für 25 € nicht gerade günstig aber
vielleicht bringt das neue Erkenntnisse...
Das Wöllnitzer gibt es z. B. auch als Vollbier. Die Sauren müssen nicht
immer Schankbiere sein. Die Kunst der kombi-oder-gestaffelten Gärung kann
man wohl nur noch von den Belgien lernen...
Aber die arbeiten mit anderen Kulturen...ein Dilemma ____________________ "Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
(John Ciardi)
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Antwort 19 |
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Posting Freak Beiträge: 1002 Registriert: 27.7.2011 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 6.9.2011 um 19:18 |
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Hi Rene,
habe da einen Artikel über "Goslarische Gose" inkl. Rezept. Aus dem
"Scandinavian Brewers Review" 2/11. In Englisch, gescannt als PDF. Falls Du
- oder auch jeder andere- Interesse hat, maile ich die Datei gern.
VG
Michael
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Antwort 20 |
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Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 6.9.2011 um 19:24 |
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Immer her damit ____________________ "Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
(John Ciardi)
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Antwort 21 |
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Posting Freak Beiträge: 954 Registriert: 1.5.2011 Status: Offline
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erstellt am: 6.9.2011 um 20:12 |
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So, ich glaube, ich habe des Rätsels Lösung gefunden, und zwar in einem
Rezept für Berliner Weiße aus einem britischen Buch von 1834, gefunden beim
oben erwähnten Blog ( http://barclayperkins.blogspot.com/2009/05/berliner-weisse-18
30s-style.html). Da heißt es:
Zitat: | After an hour allowed
for infusion, two barrels of the worts are taken from the top of the mash
and put into the copper, where they are mixed with fifteen pounds of fine
hops, and boiled a quarter of an hour. This boiling is interrupted by the
introduction of four barrels more of worts, taken also from the top of the
mash. There have been now six barrels of worts altogether put into the
copper; and these, along with the hops, as soon as they are raised to 75
degrees of Reaumur (201 of Fahrenheit), are, with the exception of a barrel
left to keep the bottom of the copper from burning, turned back into the
mash-tun, where, after being mashed a few minutes, they are left to stand
half an hour for infusion. |
Mit anderen Worten, es wurde eine Dekoktion betrieben, bei der ja
tatsächlich ein Teil der Maische gekocht wird. Der Kommentar mit "die
Maische wird nicht gekocht" stammt aus einem anderen Buch 70 Jahre später,
und deutet darauf hin, daß statt der Dekoktion eine reine Infusion
verwendet wurde, eventuell haben sich da Sachen geändert.
Spannenderweise wird in dem Rezept von 1830 nicht davon geredet, daß die
Würze gekocht wird! Stattdessen wird der Hopfen bei der Dekoktion
mitgekocht.
@Berliner: ja, dein Rezept sieht ungefähr so aus, wie ich das heute auch
probieren würde. Erst ansäuern, dann fertig gären. Damals lief das wohl mit
einer Mischung aus Hefe und Milchsäurebakterien, die Hefe wurde dabei von
der sich bildenden Hefedecke während der Hauptgärung geerntet, nicht wie
heute nach der Gärung vom Boden.
Ich hab mir mal das Buch vom VLB bestellt, mal gucken, was da noch so
aufschlußreiches drinsteht.
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Antwort 22 |
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Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 6.9.2011 um 20:24 |
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Das Problem bei der Methode von Jörg/Berliner ist folgendes. Es wird nie
ein echtes Sauerbier. Bei der Methode könnte ich mir auch auch Milchsäure
aus der Apotheke kaufen und das Bier, je nach Geschmack, sauer machen...
Die echte Kombigärung heißt auch, dass das Bier extrem hochvergoren wird.
Die Laktos knacken fast alle Restzucker. Über die besonderen,
geschmacksbildenden Eigenschaften durch Wechselwirkung bei Mischgärung will
ich gar nicht reden...
[Editiert am 6.9.2011 um 20:24 von flying]
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Antwort 23 |
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Posting Freak Beiträge: 954 Registriert: 1.5.2011 Status: Offline
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erstellt am: 7.9.2011 um 05:24 |
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Guter Punkt. Spannenderweise scheint die einzig verbliebene Berliner Weiße
auch nicht nach dem traditionellen Kombigärungsverfahren hergestellt zu
werden. Stattdessen wird je ein Teil der Maische mit Milchsäurebakterien
und mit Hefe angestellt, die vergorenen Teilmaischen später
zusammengefügt.
Es hat wohl auch bis etwa 1830 gedauert, bis die Weißbierbrauer eine
Hefe-Lactobazillus-Kultur hatten, die unbegrenzt geerntet und weitergeführt
werden konnte. Vorher mußte die Hefe regelmäßig aufgefrischt werden, damit
sie nicht zu sauer wurde. Die entsprechenden Mischkulturen dürften schlicht
ausgestorben sein, was die Reproduktion für uns Hobbybrauer beliebig
schwierig macht.
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Antwort 24 |
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