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Autor: Betreff: Maischen bei niedrigen Vergärungsgraden
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Beiträge: 4
Registriert: 4.8.2012
Status: Offline
red_folder.gif erstellt am: 4.8.2012 um 03:06  
Hallo zusammen,

nach dem ich 2005 schon mal mit dem Gedanken gespielt habe zu brauen, hab ich mich nun endlich den Hintern hochbekommen und bin ein wenig online shoppen gegangen. Da ichs zum ersten Mal ausprobiere versuche ichs so einfach wie möglich zu halten und hab den Einkauf daher mal auf 1kg geschrotetes Pilsener Malz, 100g 5,5% Tetnanger Pellets und nen Beutelchen Breferm TOP (6g) beschränkt. Erst mal gucken ob mir das Spaß macht - so im Küchenkochtopfformat.

Da ich wenig fertige Rezepte gefunden habe, die ausschließlich mit Pilsener Malz brauen hab ich mir dazu mal den Sudplaner runtergeladen und mit meinen Daten gefüttert. Dabei bin ich etwas stutzig geworden:

Laut http://hb.ikma.de/index.php?title=Trockenhefe hat die Brewferm TOP nen Endvergärungsgrad von ca. 69%. Füttere ich den Sudplaner damit, dann schlägt er mir vor:
Maltoserast: 40 min
Verzuckerungsrast: keine
Abmaischen: 45 min bei 79°C
Den Wegfall der Verzuckerungsrast empfiehlt er, solange der angepeilte Endvergärungsgrad unter 76% liegt.

Nun frage ich mich, was es mit dem Wegfall der Verzuckerungsrast und dem (langen?) Abmaischen in diesem Fall auf sich hat. Soweit ich mir das bisher angelesen habe bildet ja die Maltoserast die vergärbaren Zucker, die Verzuckerungsrast die unvergärbaren.

Mein erster Erklärungsansatz wäre: Bei 69% Vergärungsgrad bleibt auch nach der Vergärung so viel Maltose übrig, dass es mit einer Verzuckerungsrast zu süßlich würde. Aber wie wird man dann die Stärke in der Maische los? reichen da die 45 min? Oder liegt das Geheimnis hier in den 45 min Abmaischen? Überhaupt, was passiert eigentlich (biochemisch) während der 45 min Abmaischen? Oder liegen die 69% einfach derart jenseits von Gut und Böse, dass man die Ergebnisse des Tools mit Skepsis betrachten sollte? Oder habe ich etwas grundsätzlich falsch verstanden?

Würde mich über ein paar Erläuterungen freuen!

Schöne Grüße,
Benjamin
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Uwe12
Beiträge: 4922
Registriert: 5.4.2005
Status: Offline
red_folder.gif erstellt am: 4.8.2012 um 08:29  
Hmm, was möchtest Du mit der Maische erreichen, denn der Titel ist nicht ganz eindeutig.
Möchtest Du maischen um den schlechteren Vergärgrad der Hefe zu kompensieren, oder möchtest Du einen niedrigen Vergärgrad forcieren?

Wie Du der verlinkten Tabelle entnehmen kannst, steigt der Vergärgrad bei derselben Hefe mit zunehmender Maltoserast, da Maltose leicht vergärbar ist.
Man kann auch eine "niedrige" Kombirast probieren, also um 65°C, da dann die schon etwas aktive α-Amylase frische offene Stärkeketten (Amylose, lange Ketten ohne Verzweigung) aus dem von der β-Amylase nicht angreifbaren Amylopektin (auch Amyloseketten, die aber an Verzweigungen enden) schneidet.
Wenn man das auf die Spitze treiben will, kann man "normal" maischen bis rauf zur Verzuckerungsrast, die ja vor allem Dextrine freisetzt.
Dann mit frischem Brauwasser wieder in den Bereich der β-Amylase runterkühlen und etwas frisches Malz zugeben.
Das kann dann aber schnell arg trocken werden. ;)

Wenn Dein Ansinnen eine dextrinreiche und schlecht vergärliche Würze ist, kannst Du nach dem Einmaischen etwa bis 72-74°C durchheizen, um die β-Amylase nur kurz wirksam zu haben und rasch wegen der hohen Maischetemperatur zu inhibieren. Alternativ kann man nach dem Einmaischen mit wenig Brauwasser eine entsprechende Menge kochendes Brauwasser "zubrühen" um den Temperaturbereich der β-Amylase (etwa 60-68°C) zu "überspringen" -> Springmaische.
Langkettige Dextrine sind praktisch ohne Geschmack, kurzkettige bringen eine gewisse Süße ins Bier. Manche Hefen können aber auch die kürzesten der Dextrine noch verarbeiten, tun das aber nicht schon während der Hauptgärung. Man kann dann u.U. noch eine gewisse Abnahme der Dichte des noch leicht gärenden Jungbiers feststellen. Wenn man da zu früh abgefüllt hat, bekommt man eine zu hohe Carbonisierung, als geplant.

Ich halte diese lange Rast bei 79°C für unsinnig. Zum einen wird die Maische oberhalb von 74°C in sehr kurzer Zeit (so 10min als Anhaltswert) jodneutral (Dextrine geben keine Jodreaktion mehr). Zum Anderen wirst Du Dir mit der kleinen Menge Maische schwer tun, die Temperatur beim Aufheizen zu treffen. Schwingt das deutlich in die 80er Grade, wird frische Stärke aus dem Treber freigesetzt, die α-Amylase leidet bei den Temperaturen aber schon sehr stark und kann diese Stärke nicht mehr abbauen -> Blausud droht.

Ich raste für die Verzuckerung nur bei 72°C meist so um 30min und heize fürs Läutern auf nur 76°C auf. Man erreicht diese Temperatur noch relativ leicht (je höher die Maischetemperatur wird, umso größer werden die Verluste durch die Isolierung der Topfes - wenn man überhaupt eine dran hat) und ist von der schon kritischen Temperatur von 80°C+ noch weit genug entfernt. Außerdem wird die α-Amylase geschont und bleibt in der Läuterwürze noch aktiv, sollte beim Abläutern noch etwas Stärke freigesetzt werden.

Gutes Gelingen!

Uwe


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Beiträge: 4
Registriert: 4.8.2012
Status: Offline
red_folder.gif erstellt am: 4.8.2012 um 16:15  
Hallo Uwe!

vielen Dank für deine ausführliche Antwort!


Zitat von Uwe12, am 4.8.2012 um 08:29
Hmm, was möchtest Du mit der Maische erreichen, denn der Titel ist nicht ganz eindeutig.
Möchtest Du maischen um den schlechteren Vergärgrad der Hefe zu kompensieren, oder möchtest Du einen niedrigen Vergärgrad forcieren?


Nunja, ursprünglich war ich nur auf der Suche nach Pi*Daumen-Werten fürs maischen, da ich ja keinerlei Erfahrung habe was so schmeckt und was nicht und was technisch überhaupt drin ist. Daher hatte ich den Sudplaner angeworfen, dessen Ergebnis mich halt ziemlich verwirrt hatte.

Prinzipiell ging es mir aber eher um die Frage, wie gehe ich mit dem niedrigen Vergärgrad der Hefe um, nicht darum bewusst niedrige Vergärgrade zu forcieren.


Zitat von Uwe12, am 4.8.2012 um 08:29
Ich halte diese lange Rast bei 79°C für unsinnig.

Das klingt erstmal beruhigend, dann hab ich schon mal nichts grundlegend falsch verstanden :-) Vielleicht frage ich bei Gelegenheit mal den Macher des Sudplaners, was seine Gedanken dabei waren.

Ich hab heute in einem anderen Thread nen Rezept gefunden, welches auf ähnlichen Parametern (hauptsächlich PiMa, Brewferm TOP) basiert, ich werd mich mal versuchen daran zu orientieren...

Zitat von emjay2812, am 3.8.2012 um 16:56
Hier mal mein Standardrezept für ca. 12 Liter helles obergäriges Bier:

2300g PiMa
300g MüMa
Hefe: Brewferm TOP

HG: 11L
NG: 8L

Maischen:
1. Rast 63°C für 45 Minuten
2. Rast 76°C für 30 Minuten

90 Minuten Hopfenkochen (2/3 des Hopfens zu Beginn, ein Drittel 5 Minuten vor Kochende: IBU ca. 30)

Ergib ein leckeres, obergäriges, schnell trinkbares, bei hoher Gärtemperatur weizenähnliches Bier.


Und Danke für den Rat bezüglich der Temperaturschwankungen bei kleinen Maischen!

Beste Grüße!
Benjamin
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Posting Freak
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Beiträge: 789
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Geschlecht: männlich
red_folder.gif erstellt am: 4.8.2012 um 17:37  
45min Maltoserast dürfte bei der Brewferm Top noch ein recht süffiges Bierchen ergeben.
Ich habe letztens ein Bier mit ihr gebraut (Hauptsächlich Pale Ale Malz, kein Cara, so 40min Maltoserast) und sie hats von 13% nur bis 5% rutervergoren. :o
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Beiträge: 4
Registriert: 4.8.2012
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smilies/bigsmile.gif erstellt am: 24.10.2012 um 02:20  
Soo, nachdem Ihr mir so viele Tips gegeben habt muss ich doch auch nochmal Bericht erstatten:

Bei mir war es, nach einigen Verschiebungen wg. absagendem Helfershelfer und meiner Diplomarbeit am Samstag soweit: Mein erstes Mal. Und wie das bei ersten Malen so ist - es ist meistens aufregend und man lernt ne Menge dabei - und es geht auch bisweilen mal was schief.

Aber zurück auf Los. Meine Küche gibt nicht so viel Material her, mein größter Kochtopf fasst 4,8 Liter, mit einem Kilo Malz stößt man da schnell an Grenzen - 4,4 Liter Hauptguss, 3,2 Liter Nachguss hatte ich ausgerechnet. Also wurde der Helfershelfer beauftragt, "mal nen großen Topf mitzubringen". Tat er, sogar 2 davon, jeweils 5 Liter. Somit wurde das Malz auf zwei Töpfe verteilt - je ein halbes Kilo auf 2,2 Liter Hauptguss. Mit dem Nachguss zusammen sollten beide Töpfe dann gut gefüllt sein.

Das Einmaischen ging dann auch vollkommen problemlos vonstatten, die Küchenwage tat treue Dienste. Der Wasserhahn auch. Bestes Berliner Kranenburger.

Also auf ans Maischen. Beide Gasflammen an, jeweils aufs Minimum gedreht, Digitalthermometer in den Topf, 1°C pro Minute haute ganz gut hin. "Gibst du mir mal das Thermometer? Moment, ich brauchs grade selbst! Hier.... Wooow, ist das heiß!"

Lehre Nummer 1:
Arbeite nicht mit zwei Töpfen, wenn du nur ein Digitalthermometer hast.

Also: Schnell die Flamme abgedreht, um schlimmeres zu vermeiden. Messrüssel wieder in den anderen Topf, alles noch in Ordnung. Messrüssel zurück: "Oh, jetzt isses wieder auf 58°C runter. Gib nochmal vorsichtig Feuer. Waaaaah, wird das heiß."

Lehre Nummer 2:
So lange der Hauptguss in einen Topf passt, Maische in einem Topf. Aufteilen kannste beim Läutern immer noch. Sonst wird das ein reinstes Temperatur-Rodeo.

Zumindest bei nur 2,2 Litern Hauptguss pro Topf. Ist ja nicht so, als hätte mir Uwe das nicht angekündigt... Aber gut - so langsam waren beide Töpfe warm genug, also runter vom Herd und - nunja was nun... Ah, Fließdecke. Genommen, Töpfe drauf, kräftig einwickeln. Messrüssel in den Einen. Temperatur passt. So nach 10 Minuten den Messrüssel in den anderen Topf gehängt - Temperaturalarm piepst - 78°C. Mist, der Topf war noch heiß, und hat "nachgeglüht". Panik. 78°C. Abmaischtemperatur. Noch vor jeglicher Rast. die armen Enzyme...

Lehre Nummer 3:
Rasttemperaturen lassen sich auch mit kaltem Wasser korrigieren.

Hätte mir mal früher einfallen können, klappte aber ganz gut - und viel präziser als mit der Flamme. Ich glaube nächstes mal, wenn ich solche Mengen maische, Probier ichs mal mittels Infusionsverfahren - wenn sich das ähnlich feinfühlig handhaben lässt wie beim Nachkühlen mit Kaltwasser scheint es für die Mengen deutlich geeigneter zu sein als die Kesselmaische.

Unterm Strich hab ich dann etwas resigniert, dachte mir, okay, beide Töpfe sind inzwischen eher auf Verzuckerungs- als auf Maltoserasttemperatur, lassen wir sie doch einfach gemütlich für 75 minuten abkühlen, ne improvisierte Kombirast quasi. Jod war keins im Haus (wer hätte gedacht, dass in der Bundeshauptstadt Apotheken Samstags um 14:30 dicht haben) aber das geschmackliche Ergebnis war - bappsüß. Könnte also gärbar sein.

Das Würzekochen gestaltete sich problemlos und bot genügend Zeit für die erste Folge "How i met your mother" meines Lebens - Helfershelfer sei Dank.

Lehre Nummer 4:
Ist dein Kochtopf nur 5 cm hoch gefüllt, bei ca 12 cm Gesamthöhe, ist der Effekt eines Whirpools vernachlässigbar.

Wat nun? Die berühmte Pütz'sche Babywindel. Oder in meinem Fall: Kochendes Wasser, altes Küchenhandtuch rein, durchsieden, und dann einmal das Ganze durchfiltern. ging erstaunlich gut. Auch wenn mir zwischendrin ein Zipfel aus der Hand flutschte und sich ein Teil des Suds über den Herd ergoss... Naja, etwas Verschleiß ist immer. Nächster Schritt: Kühlen. Bei den Mengen kaum nen Problem. nach dem Kochen passte beides wieder in einen Topf. Tuch drüber, damit nichts reinfällt und ab in den Kühlschrank. Eine weitere Folge "How i met your mother" später war der Inhalt auf Raumtemperatur. Jetz musste nur noch die Hefe hinein. Also: Tuch vom Topf ziehen - Tuch verhakt sich im Topf-Griff, Krabumm.

Lehre Nummer 5:
Bei verkippter Würze kleben die Schuhe auch nach ausgiebigem Schrubben am Tag danach immer noch schmatzend an den Dielen.

Großer Vorteil: Das Schmatzen ist der ultimative Beweis, dass beim Maischen nicht so viel schief gegangen sein kann. Da war Zucker ohne Ende drin.

Lehre Nummer 5:
Verspritzt du Maische über deiner halbe Küchentapete, kann das nach Kunst aussehen - oder es schreit nach einem Eimer Alpina-Weiß.

Aber wir haben nochmal Glück gehabt: 0,32 Liter fanden sich nach dem Sturz noch im Topf - der war wohl mit ner Katze oder nem Butterbrot verwandt und landete auf der richtigen Seite. Diese 0,32 Liter gären jetzt seit Samstag Nacht mit einem Schwupp Brewferm TOP in meinem Messbecher vor sich hin.

Lehre Nummer 6:
Bier wirds wirklich immer.

Zumindest war das Ergebnis meiner heutigen ersten Geruchs- und Teelöffel-Geschmacks-Probedurchaus bierig. Mal gucken ob man im Ergebnis den Hauch von altem Handtuch noch schmecken wird...


[Editiert am 24.10.2012 um 02:28 von Agavenwurm]
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