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Autor: Betreff: Kärntner Steinbierbrauerei - Verständnisfragen
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Bierjunge
Beiträge: 2084
Registriert: 28.10.2009
Status: Offline
red_folder.gif erstellt am: 3.11.2009 um 21:37  
Nach heutiger Interpretation hier im Forum oder in vereinzelten Brauerein scheint unter "Steinbier" das Stacheln der bereits abgeläuterten Würze mit glühenden Steinen und ggf. das anschließende Mitvergären der "kandierten Steine" verstanden zu werden.

Im Unterschied zu dieser Lesart gibt es im Deutschen Museum München ein liebevolles Diorama einer traditionellen Kärntner Steinbierbrauerei, wo vielmehr die Steine zum Aufheizen der Maische dienen, um ohne metallene Pfannen auszukommen (ein Verfahren, das ich auch von nordamerikanischen Indianern kenne, die ohne Metallgefäße so Ahornsirup herstellten).



Auf der Schautafel im DMM steht u.a.:

In den Steinbierbrauereien Kärntens wurde bis in die 20er Jahre unseres Jahrhunderts ein seit Jahhunderten in fast unveränderter Form vererbtes Brauverfahren ausgeübt. (...)
Die Einrichtung einer Steinbierbrauerei ist, wenn man von den ägyptischen "Kaltbierbrauereien" absieht, die denkbar primitivste. Sie stammt sicher aus einer Zeit, in welcher man es noch nicht verstand, große Gefäße aus Metall herzustellen. (...)

In einer gemauerten Grube, Grummettl genannt, werden nicht berstende, kopfgroße Grauwackensteine in einem brennenden Holzscheiterhaufen zum Glühen gebracht. An der Vorderseite des Grummettl´s werden mehrere faustgroße Steine eingelegt, die ebenfalls rotglühend werden. Der Maischbottich, dessen Größe sich nach der Menge des zu erzeugenden Bieres richtet, faßt annähernd halb so viel Hektoliter, als die zu erzeugende Biermenge. Er besitzt in der Mitte ein etwa 5 bis 6 cm weites Loch, das durch den Steckzapfen, der über den Bottichrand hinausragt, verschlossen wird. Der Maischbottich steht über einer tiefen Rinne, dem sogenannten Granter, in der Nähe des Grummettl´s.
Das Einmaischquantum setzt sich wie folgt zusammen: 60 % Gerstenmalz, 25 % Weizenmalz, 15 % Hafermalz. Auf den Boden des Maisch- und Läuterbottichs werden zunächst Wacholderäste (Kranewitten) gelegt, dann läßt man etwas Wasser zufließen. Mit der kleinen "Steinzangen" gibt man die kleinen glühenden Steine hinein und darauf den Hopfen, der so eine Art Röstung erfährt. Jetzt wird zuerst das Hafer- und dann das Gerstenschrot mit warmem und kaltem Wasser eingemaischt. In der nassen "Wiege" werden die großen glühenden Steine herbeigeschafft und mit der großen "Steinzangen" in die Maische versenkt. Die Maische wird gleichzeitig mit dem Maischscheit in Bewegung gehalten. Das Ganze kommt langsam zum Sieden. Kurz vor dem Abläutern wird die am Abend vorher in einem kleinen Bottich angesetzte Weizenmaische beigemengt.
Nach etwa einer Stunde wird der Steckzapfen vorsichtig gezogen und die Würze läuft in den "Läutergrant" ab. Das Wacholderreisig und die Treber wirken als Filter. Solange die Würze trüb läuft, wird sie in den Bottich zurückgeschöpft. Nachdem die Würze klar abläuft, wird sie aus dem "Granter" in den Gärbottich geschöpft. Die Treber werden solange mit heißem Wasser "übergeschwänzt", bis der Gärbottich genügend voll ist.

Die Gärung wird mittels "Faßgeläger" eingeleitet und dauert etwa zehn Stunden. Die Anstelltemperatur liegt zwischen 15 und 20°C. Das obergärige Grün-Bier kommt sofort in kleine Schankfässer und wird kurz nach seiner Herstellung getrunken.


Mir stellen sich nun u.a. folgende Fragen:
  • Eigentlich müssten sich doch die glühenden Steine in der Maische sofort in stinkende, verbrannte Klumpen verwandeln. So wird z.B. im Vogel selbst vor der Verwendung von Tauchsiedern in der Maische gewarnt, um Anbrennen und einen brenzligen Geschmack zu verhindern. Irgendendwie muss es aber doch geklappt haben? Oder war man einfach geschmacklich vollkommen schmerzfrei?

  • Was für einen Sinn kann das geschilderte Rösten des Hopfens gehabt haben? Davon habe ich sonst noch nie gehört. Geschmacklich ganz interessant könnte ich mir indes das Abläutern über das Wacholderreisig vorstellen...

  • Das Mitmaischen des Hopfens und der Verzicht auf eine separate Würzekochung entspricht z.B. laut Narziß auch dem ursprünglichen Verfahren bei der Berliner Weiße und ist demnach plausibel, wenn man eh keine Kochpfanne hat. Die Schüttung aus Gerste, Weizen und Hafer hat, wenn man so will, entfernte Verwnadtschaft mit Belgischem Wit. Was für einen Sinn aber kann das separate Digerieren und erst sehr späte Beimischen des Weizens gehabt haben?

Fragen über Fragen...
Vielleicht hilft aber eh nur Probieren über Studieren?

Dank und Gruß, Bierjunge


[Editiert am 3.11.2009 um 21:39 von Bierjunge]
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Slidem1
Beiträge: 138
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red_folder.gif erstellt am: 14.7.2010 um 19:12  
Hallo,

dieses Thema scheint zwar schon eine gewisse Zeit hier unbeantwortet im Raum zu stehen,
da ich aber erst vor einer Woche etwas über Steinbier gelesen habe, würde es mich doch interessieren.

Warum braut jemand heutzutage noch Steinbier (http://www.brauerei.michelbrau.de/index.php?option=com_conten t&view=article&id=51&Itemid=74) ?

Lohnt sich der Aufwand ?

Kann das schief gehen ? -> Bedenken von Bierjunge

Hat jemand Erfahrung ?
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Isarwinkler Spitzbua
Beiträge: 359
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red_folder.gif erstellt am: 15.7.2010 um 07:03  

Zitat von Slidem1, am 14.7.2010 um 19:12

Warum braut jemand heutzutage noch Steinbier ?

Lohnt sich der Aufwand ?


Warum? Um sich von den Standardbieren ein wenig abzuheben. Finde ich klasse, im Rahmen des (hier oft diskutierten) RHG was besonderes anzubieten.

Wie hoch der Aufwand ist, kann ich nicht sagen, unser Forums-Kollege Steinbrauer sicherlich.

Getrunken hab ich leider noch keines, bei uns bekommt man so was leider nicht.

Ciao

Marko


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gambas
Beiträge: 395
Registriert: 4.3.2009
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Geschlecht: männlich
red_folder.gif erstellt am: 15.7.2010 um 09:38  
Erklärungsversuch zum Punkt 1

Grauwacke hat ja gegenüber Metall ein besonders schlechtes Wärmeleitvermögen. Wenn die 600 °C heißen Steine in die Würze gegeben werden, bringen sie diese zum Kochen und haben solange eine Aura von Wasserdampf um sich, bis sie auf 99 °C abgekühlt sind. Wenn in dieser Phase genügend gerührt wird, ist auch jede Menge Malzzucker entstanden, der die Steine dann karamellisieren lässt.
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marvin
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red_folder.gif erstellt am: 15.7.2010 um 11:01  
Hallo,

das Steinbier von der Brauerei Michelbräu hat mit dem von Braujunge beschriebenen Brauverfahren nicht viel gemeinsam, außer das mit den Steinen vielleicht.
Ich hab zwar noch keine Führung durch die Brauerei mitgemacht, konnte aber schon des öfteren von außen reingucken u. hab nur eine normale, moderne Brauerei gesehen. Also nix mit Wacholderreisig oder gar Holzfässern.

Ich denke dass das Steinbier aus Gründen von Lokalpatriotismus heraus seinen Namen bekommen hat, ähnlich übrigens wie das Kuckucksbier..

Ob es sich lohnt ist Geschmackssache, ich trink das Steinbier jedenfalls gerne, (man darf nur nicht zu viel davon trinken) aber selber ausprobieren würde ich das nicht.

Grüße

Marvin


[Editiert am 15.7.2010 um 12:03 von marvin]



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Dringe ma oiner?? Alla guuud!
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Bierjunge
Beiträge: 2084
Registriert: 28.10.2009
Status: Offline
red_folder.gif erstellt am: 21.7.2010 um 09:56  

Zitat von marvin, am 15.7.2010 um 11:01
das Steinbier von der Brauerei Michelbräu hat mit dem von Braujunge beschriebenen Brauverfahren nicht viel gemeinsam, außer das mit den Steinen vielleicht.
Ich hab zwar noch keine Führung durch die Brauerei mitgemacht, konnte aber schon des öfteren von außen reingucken u. hab nur eine normale, moderne Brauerei gesehen. Also nix mit Wacholderreisig oder gar Holzfässern.

Eben, sowohl das Steinbier von http://www.leikeim.de/ als auch http://www.michelbrau.de/ ist konventionell gemaischt; die heißen Steine kommen erst in die Würze. Siehe auch mein erster Satz im obersten Posting dieses Threads.

Beim ursprünglichen kärntner Steinbier scheint es sich hingegen um ein ausgesprochenes Urbier gehandelt zu haben. Ich habe gerade auch nochmal im Narziss unter Berliner Weiße nachgelesen, die zumindest nach traditionellem Verfahren ebenfalls als Urbier zu bezeichnen ist:
Auch hier war (weil die Würze nicht mehr anschließend gekocht wurde) der Hopfen beim Maischen von Anfang an dabei (so dass viel Bitterstoff im Treber blieb, daher auch die geringe Bittere der Weiße, was aber das Abläutern verbesserte), und die Würze kam nach dem Läutern direkt in den Gärbottich. Aus der damit fehlenden Sterilisation der Würze resultierte wohl auch ursprünglich die typische Säuerung der Weiße.
Ob beim urspr. Steinbier, wie im Deutschen Museum geschrieben, wirklich die Maische bis zum Sieden erhitzt wurde, sei einmal dahingestellt. So oder so deckt sich dies mit der zitierten geringen Haltbarkeit des urspr. Steinbiers.

Bliebe nur noch die Frage offen, ob das mit den Steinen in der Maische funktioniert, ohne allzu brenzlig zu schmecken. Da hilft wohl wirklich nur ausprobieren, was ich mich bislang aber nicht getraut habe (und bei den derzeitigen Außentemperaturen habe ich auch keine große Lust, den Kaminofen anzuschmeißen...).

Gruß, Bierjunge


[Editiert am 21.7.2010 um 10:00 von Bierjunge]
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Bierjunge
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Registriert: 28.10.2009
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red_folder.gif erstellt am: 5.8.2014 um 10:54  
Schon witzig, das hier habe ich gerade in anderem Zusammenhang wiedergefunden; das war glaub-ich mein zweites Posting hier überhaupt, noch vor meinem ersten eigenen Sud.
Und nun fast 5 Jahre später kann ich mir wenigstens eine meiner Fragen selber beantworten:

Zitat von Bierjunge, am 3.11.2009 um 21:37
(...) Jetzt wird zuerst das Hafer- und dann das Gerstenschrot mit warmem und kaltem Wasser eingemaischt. In der nassen "Wiege" werden die großen glühenden Steine herbeigeschafft und mit der großen "Steinzangen" in die Maische versenkt. Die Maische wird gleichzeitig mit dem Maischscheit in Bewegung gehalten. Das Ganze kommt langsam zum Sieden. Kurz vor dem Abläutern wird die am Abend vorher in einem kleinen Bottich angesetzte Weizenmaische beigemengt. (...)

Was für einen Sinn aber kann das separate Digerieren und erst sehr späte Beimischen des Weizens gehabt haben?

Wenn das alles so stimmt und die Maische zum kochen gebraucht wurde, dann ist die Weizenmaische nichts anderes als ein kalter Satz, also ein Enzymbooster (schließlich ist Weizen sehr enzymreich!), um die bei Kochen freigesetzte Stärke am Ende zu verzuckern.
Also sehr sehr ähnlich zum Kesselmaischverfahren (hier im Forum auch als Earlsches Kochmaischverfahren bekannt).

Also für das damalige Wissen ein erstaunlich kluges und weitsichtiges Vorgehen: Wie konnte man so etwas Ersinnen, ohne jemals auch nur das Geringste von Enzymen gehört zu haben? Ich verneige mich vor den Altvorderen! :pray:

Moritz


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Glaubte ich an die Reinkarnation, so wollte ich als Hefepilz wiedergeboren werden.
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ITZBrauer
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red_folder.gif erstellt am: 5.8.2014 um 11:41  
Ha, interessanter Thread!
Sollte sich jemand für einen uralten wissenschaftlichen Artikel bezüglich Steinbier interessieren, ich hätt da einen (Scan aus unserer Bibliothek)...
bei Interesse einfach PM


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Pfeffer und Salz - Gott d'erhalts
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Beiträge: 84
Registriert: 12.3.2014
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Geschlecht: männlich
red_folder.gif erstellt am: 5.8.2014 um 11:47  
um auf das Rösten des Hopfens zurückzukommen habe ich hier auch was gefunden:

http://books.google.de/books?id=HwRAAAAAcAAJ&pg=PA714&lpg=P A714&dq=hopfen+r%C3%B6sten&source=bl&ots=p1wN86o9kf&sig=HGK6qwylhc1p9Z5ODP8 bJVBD1pI&hl=de&sa=X&ei=VrTgU5j_Be3T7AazwICgAg&ved=0CDMQ6AEwAw#v=onepage&q=h opfen%20r%C3%B6sten&f=false

...."damit das schädliche flüchtige Wesen leichter fortgeschaffet wird" wenn ich das richtig lese...war doch klar, oder? ;)
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aegir
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Geschlecht: männlich
red_folder.gif erstellt am: 5.8.2014 um 11:51  

Zitat:

Zitat von Bierjunge, am 5.8.2014 um 10:54
Was für einen Sinn aber kann das separate Digerieren und erst sehr späte Beimischen des Weizens gehabt haben?

Wenn das alles so stimmt und die Maische zum kochen gebraucht wurde, dann ist die Weizenmaische nichts anderes als ein kalter Satz, also ein Enzymbooster (schließlich ist Weizen sehr enzymreich!), um die bei Kochen freigesetzte Stärke am Ende zu verzuckern.
Also sehr sehr ähnlich zum Kesselmaischverfahren (hier im Forum auch als Earlsches Kochmaischverfahren bekannt).

Also für das damalige Wissen ein erstaunlich kluges und weitsichtiges Vorgehen: Wie konnte man so etwas Ersinnen, ohne jemals auch nur das Geringste von Enzymen gehört zu haben?

Frueher hat man ja vieles gewusst, bloss nicht warum etwas funktioniert (siehe Hefe und RHG).
Hier mal ein Link mit ein paar Bildern zum Steinbierbrauen. Leider stimmt die Groesse der Bilder nicht mehr.

Gruss Hotte
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