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Autor: Betreff: Weihnachtsbier 2011 - Das Desaster
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tinoquell
Beiträge: 1776
Registriert: 14.7.2004
Status: Offline
Geschlecht: männlich
red_folder.gif erstellt am: 1.11.2011 um 23:06  
Hallo,
entschuldigt, dass ich noch einen Weihnachtsbier - Fred eröffne, aber ich weiss nicht so recht wohin ich das hier alles platzieren soll.

Also der Reihe nach.
Vor einer Woche entschloss ich mich relativ spontan, doch endlich den Weihnachtssud anzusetzen. Da ich inzwischen mit meinem Wurstkessel einige Erfahrungen sammeln konnte, sollte es ein Einmaisch - Verfahren (62/72) mit 50l Ausschlag werden.
Im Malzlager gestöbert und Müma aus 2009 gefunden, das ist schön dunkel und muss sowieso dringend weg. Dann ein Drittel Weizenmalz, es soll ja mit einer Weizenhefe vergoren werden, da wird die sich freuen.
Ach und da ist noch etwas CaraPils und, komm her, auf 9 kg Malz auch noch 150g Sauermalz - es wird zwar ein dunkles Bier, aber das Zeug muss ja auch mal alle werden. Noch schnell Gewürze, Haferflocken und Zuckercoleur besorgt und schon ging es los.

Alles prima, Kochmaische hat wunderbar geklappt, Temperatursprung wie berechnet, fein. Maische mal gekostet - oh, was is denn dass?!
TOTAL sauer. Ups, war das Sauermalz wohl zuviel? Naja, wir haben auch recht lange bei 55 Grad eingemaischt und herumgerastet, vielleich sind da die Lactos noch aufgelebt? Jedenfalls - das ging meiner Meinung nach gar nicht, also - Gegensteuern! Aber wie?

Wie neutralisiert man Säure? Da gibt's doch z.B. Speisenatron gegen das Sodbrennen, das sieht ziemlich natürlich aus.... Also 50g Natriumhydrogencarbonat in die 72° heisse, bereits jodneutrale Maische. Leute, das hat vielleicht geschäumt...eine übelste Reaktion in der Maische! Da meldete sich erstmalig mein schlechtes Gewissen. Ob das jetzt wirklich so gut war? Jetzt erst das pH Meter geholt - 5,8 - oi, etwas zuviel zu dieser Zeit; zum Glück kann ich gleich läutern. Passend hierzu gab es letzte Woche auch einen Thread über Salz. Auch bei mir wirkt sich die Aktion dann wohl zusätzlich 'geschmacksverstärkend' aus.

Naja, Läutern, etwas schwerfällig, dann Kochen, geht im Wurstkessel wirklich gut. Hopfen, Zimt, Piment, Vanille, Orangenschale, Nelken, Sternanis mit dazu und weiter gehts. Hmm, riecht manchmal bissel brenzlig .. Geht aber schnell wieder weg.

Ausschlagen, den abgekühlten Sud dann ins Gärfass. Hmm, normalerweise hat man da schon immer schönen Schaum, wenn man es zwecks Belüftung großzügig plätschern läßt. Aber dieser Chemie- Sud liegt im Faß wie erschossen. Mal sehen. Hm irgendeinen undefinierbaren Stich hat diese Würze. Ob sich das noch gibt?

Kosten der Schnellgärprobe. Kill the cat - was ist denn das? Untrinkbar. Pelzig mit üblem Geschmack nach .. Schuhsohle? Verbrannte Plastetüte? ???
Mit Kumpels das Jungbier verkostet - egal wie lang man das lagert, dieses Bier wird man sich niemals schöntrinken können. Der erste Sud meiner Laufbahn komplett für die Tonne. Irgendwann musste das ja auch mal passieren. 50l + ein ganzer Nachmittag ade.



Eine Woche später gleich ein neuer Versuch, viel Zeit ist ja nicht mehr bis zum Fest. Klassisch im Einkocher wie im Vorjahr, 100% MüMa, kein Sauermalz, nur etwas CaraPils. Schöne, bewährte Infusion. Ich koste: und WIEDER dieser saure Geschmack. Nicht so extrem, aber deutlich wahrnehmbar. pH - Meter zeigt 5,05. Ok, heute keine Chemie, aber ich wüßte schon gern was hier los ist. 50min Verzuckerung ... immer noch nicht jodneutral. Nach 1,5h Verzuckerung immer noch schwarze Schlieren in der Jodprobe. Hmm, keine Zeit mehr, Augen durch und abläutern.
Gewürze wie gewohnt, Honig beim Abkühlen der Würze mit dazu, na wenigstens ein angenehmer Weihnachtsduft.

Der Schaum, auch später der Hochkräusen verdienen immer noch nicht diesen Namen. Trotz Haferflocken und kurzer Eiweißrast. Nun ja, wenn nichts Weiteres mehr dazwischen kommt, wird bald abgefüllt, im Faß sehe ich das Bier dann erstmal nicht. Und vielleicht geschieht ja dann noch ein Weihnachts(bier)wunder. Ich habe jedenfalls keinen Bock auf einen 3. Sud mehr. Schade.

Fehleranalyse:
1. Bei Sauermalz sollte man schon mal einen Braurechner bemühen. Wenn man dann noch Wasser mit 6°dH hat, braucht man das eigentlich überhaupt nicht. Es macht nicht nur die Menge in der Schüttung, Sauermalz ist auch 'aktiv', da vermehrt sich offensichtlich etwas in der Maische.
2. Keine Chemie ins Bier, das sorgt immer wieder für Zweifel, auch wenn das wahrscheinlich nicht die Problemursache war.
3. Keine Gewürze - insbesondere Zimt - über Holzfeuer. Das haben wir als die Ursache für den Schuhsohlengeschmack ausgemacht: Während helles Bier an dem feuerheißen Topfrand schön karamellisiert, verbrennen die Gewürze dort. Und 'gerösteter' Zimt ist echt was zum Abgewöhnen!
4. MüMa sorgt von Natur aus für einen sehr niedrigen pH - Wert, das schmeckt schon mal sauer (siehe Dokument von Sandro).
5. 2 Jahre altes Malz sollte man nie zu 100% als Enzymlieferant nutzen. Das ist schon dreiviertel tot. Vielleicht hat das zusätzlich noch -obwohl wirklich trocken gelagert - zur Maischesäure beigetragen.

Ich hoffe, dass nächstes Jahr alles besser wird, aber aus den ganzen aufgeführten Gründen werde ich mich 2011 nicht am Weihnachtswichteln beteiligen. Das kann man niemandem anbieten.

Danke für's Lesen und Gute Nacht!
Tino


[Editiert am 1.11.2011 um 23:14 von tinoquell]



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Berliner
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red_folder.gif erstellt am: 2.11.2011 um 08:56  
Schöner Bericht über eine unschöne Erfahrung. Hoffentlich wird dein zweiter Sud was.

Zu deinen Schlussfolgerungen:
1. ist auch meine Meinung, bei Münchner Malz und moderater Gopfung brauchst Du kein Sauermalz. Milchsäurebakterien hast Du allerdings auf jedem Malz. Daher darfst Du beim Einmaischen am Vorabend auch nie warmes Wasser benutzen. Die Laktos vermehren sich optimal bei etwa 40°C, aber auch zwischen etwa 20 und 50°C sind sie noch aktiv.
5. Zwei Jahre altes Malz sollte eigentlich kein Problem sein, wenn es ungeschrotet war und einigermaßen kühl, trocken und Insektenfrei gelagert wurde; meine Malze werden auch oft so alt, wenn ich mal wieder nur 50kg-Säcke kriege. Ich würde aber mal das Münchner kosten (Malz zerkauen), ob da evtl. schon irgendwelche Fehler zu schmecken sind.


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Gruß vom Berliner
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Kellerbraeu
Beiträge: 15
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red_folder.gif erstellt am: 2.11.2011 um 13:16  
Hallo Tino,
mehr Frust als Lust!
Zu Deiner Fehleranalyse:
wo brennt/karamellisiert denn da was am Topfrand?
Ich braue nun schon seit 5 Jahren und vielen Suden im Wurstkessel auf Holz. Bei mir ist dort noch nie am Topfrand was angebrannt?
Beim Hopfenkochen ist mir da noch nie was angebrannt?
Bei den wenigen Gramm Zimt, die sich ohnehin in der Würze auflösen, wie soll es denn dort eine Anbrenne geben?

Grüße Ulf
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tinoquell
Beiträge: 1776
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Status: Offline
Geschlecht: männlich
red_folder.gif erstellt am: 3.11.2011 um 07:06  
Danke für Eure aufmunternden Worte!

@Berliner
Da ich eher selten braue, arbeite ich auch oft mit älterem Malz, bisher eigentlich ohne Probleme. Deine Aussage bestärkt mich da. Ich sehe nur keine richtig andere Ursache für den tendenziellen Blausud. Vielleicht hatte ich auch zu dick (knapp 1:3) eingemaischt?

@kellerbräu
Da bei mir der Kessel voll im Feuer hängt wird der Rand zwischen Oberkante Würze und "Kesselvoll" wirklich sehr heiß. Bereits beim Maischen brennt hier -wenn man etwas intensiver rührt so dass die Maische hochschwappt- einiges an.
Beim wallenden Kochen wird das dann teilweise auch wieder "abgewaschen" und kommt - meiner Meinung nach - in den Sud.
Ein Argument ist allerdings, dass sich das bisschen Zimt so deratig auswirken soll. Muss ich mal drüber nachdenken, vielleicht war doch meine Chemieaktion mit dem Natron schuld.

Danke Euch und viele Grüße
Tino


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Senior Member
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Bockbierfreund
Beiträge: 252
Registriert: 2.12.2004
Status: Offline
red_folder.gif erstellt am: 3.11.2011 um 07:21  
Hey Tino,

das ist ja bitter. Aber bis Weihnachten ist ja noch etwas hin. Mein Weihnachtshonigbock braue ich auch erst in einer Woche.
Und hier ist ja auch noch etwas Platz:
http://hobbybrauer.de/modules.php?name=eBoard&file=viewthre ad&tid=4880#pid
;)

Gruß
BBF


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Erstaunlich, ändert mann an dem Wort Mama nur vier Buchstaben, so wird Bier daraus !
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muldengold
Beiträge: 675
Registriert: 25.10.2010
Status: Offline
red_folder.gif erstellt am: 3.11.2011 um 08:56  
Hi Tino - was für ein Desaster! Das Bild spricht Bände - hab ich auch schon mal durch (aber da war das Bier schon vergoren und hat wie Zahnarzt geschmeckt)

ich habe mal überschlagen, das 50 g NaHCO3 die Härte des Wasser bei 50 Liter um >10 mmol/l (oder>30°dH) erhöht hat. Mich wundert, das der pH Wert bei Deinem ersten Ansatz "nur" bis auf 5.8 hochging. Wenn das so ok ist, müsste der pH Wert vorher astronomisch tief gelegen haben und da wunderts mich das die Maische jodnormal wurde. Kalibrierst Du dein pH-Meter regelmässig?

Ist in Dem Speisenatron gegen Sodbrennen evtl. noch irgendein anderer Kram enthalten? Ansonsten ist ja gegen Backpulver (ist in der Regel reines Natriumhydrogenkarbonat) nix einzuwenden.

Hoffe Du gibst nicht auf und sitzt an Heilig Abend mit einer schönen Tulpe Selbstgebrautem vorm Kamin!

Grüße
Sandro


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