Hallo.
Wie schon mehrfach für andere nahrungstechnische Unternehmungen wie z.B.
Kimchi und
eher konventionelle Sauergemüse wie Sauerkraut, habe ich meine
Milch-Kefir-Kulturen für ein USS-BaHe (Universal-Starter-Set
Bakterien/Hefen) angepumpt, heißt, ich habe einen Eßl. überschüssige
Kefir-Körner in den Brau-Sud gegeben. (Kefir-Molke, wie sie bei der
Frischkäsebereitung aus Kefir anfällt, hätte es womöglich ebenfalls getan,
aber die Körner (ihr Inneres) sind eher das Zuhause der im Kefir lebenden
Hefen als erstere.)
Die Kultur(en) habe ich vor ~4 Jahren von einer Geographin aus der
Nachbarstadt bezogen und sie selbst sie über ein Verwandschaftsverhältnis
aus der jeweiligen Region. Es handelte sich um je eine aus kaukasischem und
tibetischem Raum. Die geschmacklich deutlichen Unterschiede des fertigen
Produktes (kaukasisch: kraftvoll, schnell und stark sauer,
wetterunempfindlich. tibetisch: reichhaltigeres, hefigeres Aroma, milde
Säure, Wetter-Zicke) haben sich mittlerweile nivelliert, sodaß man sagen
kann dass die Kulturen sich den hiesigen Verhältnissen angepaßt haben und
nun Kulturen mit meiner Hausnummer sind.
Da die Kefirkörner aufgrund nicht passenden Nährstoffspektrums des
Ingwerbier-Sudes zwar überlebens- jedoch nicht vermehrungsfähig sind,
wurden sie nach drei "Brau"-Durchläufen entfernt und von da, der jeweils
neue Ansatz mit bereits fermetiertem beimpft.
1.) der Sud (oder einfach: Ansatz):
a.) Mengen (angegeben für ein 1,5 Liter-Gefäß (in meinem Fall: eine Tulpe
der Fa. WECK)):
- 200 gr. Vollrohrzucker
- Saft einer Limette
- 120 ml Ingwersaft aus (je nach Qualität/Frische) ~200gr. Ingwerwurzel)
- 50 ml Impfe vom vorhergehenden, bereits fermentierten Ansatz
- Rest: Wasser.
(Das "Brau"-Wasser stammt aus der Aquarienwasseraufbereitung, heißt, das
Leitungswasser geht durch eine
1µ-Patrone, dann durch einen
Aktivkohle Block.
Das Wasser für einen jeweils neuen Ansatz wird einen Tag abstehen gelassen,
um ausgasen zu können (<- ob es für diese Anwendung wirklich wichtig
ist, weiß ich nicht, für aquatische Lebewesen und Kleinstlebewesen ist
"Gaswasser" jedoch mindestens unangenehm bis gefährlich.)
Das Wasser hat eine GH von 7 und eine KH von 5.
b.) Zubereitung(en):
Einen Tag vor Ansetzen neuen Sudes, Ingwer dünn schälen,
reiben und entsaften. Entsaften, bedeutet den erzeugten
Faser-"Brei" portionsweise in ein Teesieb zu überführen und mit einem
stabilen Teelöffel immer wieder gegen das Sieb (aus)zudrücken.
Den so produzierten Ingwersaft lasse ich in einen konischen Meßbehälter
tropfen, weil sich die feine Stärke des Ingwersaftes an dessen Boden in ein
Volumen mit geringer Oberfläche sedimentieren und die überstehende
Flüssigkeit recht ungestört davon dekantieren läßt.
Zum sedimentieren das Meßgefäß z.b. einen Tag in den Kühlschrank
stellen.
Am "Brau"tag 200gr. Zucker in das Braugefäß geben, zur Hälfte mit dem
bereitstehenden abgestandenen Leitungswasser auffüllen und immer wieder mal
rühren bis der Zucker gelöst ist. Unterdessen den Saft einer Limette und
die 120 ml Ingwersaft zugeben, durchrühren.
Dann die 50ml Impfe des vorigen Ansatzes.
Nun mit restlichem Leistungswasser bis 3cm unter den Gefäßrand auffüllen,
noch einmal durchrühren, Deckel auflegen, Glas dunkel, besser lichtdicht
stellen (einfachst mittels Umwickeln per Alufolie), fertig.
2.) Zeiten:
Ein solches Gärgefäß (aktuell zwei davon) steht bei mir bei ~22°C für 96Std
und in der Küche. Zu diesem Zeitpunkt hat das Getränk schon merklich an
Süße verloren.
Nach dieser drucklosen Phase, überführe ich das Getränk per Schlauch
(Ansaugen des Getränkes mittels Einmal-Spritze ein Stück weit in den
Schlauch hinein und unter das Niveau des zu entleerenden Behälters,
schließen einer Schlauchklemme, entfernen der Spritze, Schlauch auf den
Boden der zu befüllenden ersten Flasche, öffnen der Schlauchklemme, aso.)
in 0,5-Liter CocaCola-Glasflaschen, die mir recht stabil vorkommen.
Ab hier, und schon etwas davor, habe ich mittlerweile etwas zu variieren
begonnen. Für weitergehende Anregungen bin offenohrig.
Getränk_I:
Nach der drucklosen Phase: Einen Tag blieben die befüllten Flaschen bei
gewohnter Temperatur auf dem Küchenboden liegen, dann kommen sie in den
Kühlschrank (~5°C). Nach weiteren ~4 Tagen ist das Getränk ein süffiger
Sekt/Federweißer, es perlt fein und in Schnüren, ein Schaum bildet sich
nicht, die Blasen zerplatzen sobald sie die Oberfläche berühren.
Alkohol ist bemerkbar, aber er hält sich geschmacklich wie auch vom
Wirkungsgrad zurück. Eine dichte, feinperlige Limonade mit etwas ...
Etwas.
Getränk_II:
Zu obig angegebenen Grundzutaten habe ich noch einen zusätzlichen Teelöffel
Melasse gegeben. Drucklos fermentiert wurde ebenfalls 96 Std, dann auf
Flaschen gezogen, dann in den Kühlschrank.
Eine Flasche nach bereits einem Tag probiert:
Ein sektperliges, leicht marmeladig wärmend-scharfes, mitteldunkles
Hefe-Böckchen, mit nach dem Schlucken sich meldender unaufdringlicher
Bitterkeit, welche kurzfristig einer Restwärme im Schlund und einer sich in
der Magengegend ausbreitenden solchen weicht.
Vertrinkung von Getränk_II nach 4 Tagen Kunst-Winter:
Deutlich mehr Kohlensäure. Weiterhin sehr feinperlig in Schnüren. Steht das
Glas ein paar Minuten bildet sich ein dünner, feiner und sehr
"hygienisch"/sauber wirkender und aus fast identischen
Kleinst-Blasendurchmessern bestehender Schaum, wie eine etwas stabilere
Version eines Sekt-Schaumes.
In den Mund genommen ist sofort ein verstärktes sektartiges Ausperlen zu
bemerken, jedoch feiner. Der Geschmack ist deutlich runder geworden. Das
marmeladige als separat wahrnehmbarer Geschmacks-Block ist weitgehend im
Gesamtgeschmack aufgegangen, die (Rest-)Süße das Gesamtbild lediglich noch
etwas hebend, die Wärme/Schärfe weniger raumgreifend aber weiterhin
prägend, die Bitterkeit in ihrer "Stärke" praktisch unverändert, aber durch
die Variation der anderen Aromen hat sie nun eine vieleicht auch nur
phantasierte Bitterbier-/Schwarzbier?anlehnung (und ein Aufblitzen von
leicht säuerlichem Karamel verschwindet wie ein Karnickelschwanz im
Unterholz und war vieleicht gar nicht wirklich da. :- )
Das Getränk hat in dieser Version eindeutig Durstlöscher-Eigenschaften. Es
ist weit nicht mehr wie in seinem Feder-Stadium welches per seiner süffigen
Sucht-Süße immer wieder nach einem Nachschütten selbigens verlangt, sondern
diese Version trinkt man weil man es selbst so will. :- )
Das Kippen von einem halben Liter dieser Version hat eine etwas stärkere
Wirkung als ich sie von z.B. einer käuflichen Flasche Weizenbier in
Erinnerung habe. Vieleicht sogar noch etwas mehr, denn nach dem zweiten
halben Liter hatte ich gut einen sitzen.
Ich bin ehrlich gesagt erstaunt. Ich behaupte definitiv kein Bierkenner zu
sein, nichts bisher ging über den weitestgehend gedankenlosen Konsum
üblicher Handelsware hinaus aber dieses Getränk hat mir keine (von mir
aufgrund der kruden Starterherkunft und folgenden "Brau"-technik für
Allerärmste eigentlich recht sicher erwarteten) Fehlaromen, weder in Mund
noch Nase verpaßt. Hätte es mir jemand in einer aus dem Handel
herbeigetragenen Flasche angeboten, hätte ich es für ein Bier gehalten. Für
zwar eine ungewöhnliche Art (Mischling aus mittelherbem Pils und Weizen im
Bühnenbild einer gehaltvollen, sektartigen Limonade mit lediglich
unterschwelliger Süße), aber für ein Bier. Nicht für etwas wie ein
Limonadenderivat. (... und über den Enthusiasmus der Erstbesteigung bin ich
bereits hinaus.)
Getränk_III:
Eine Flasche von Getränk_II-Version wurde nicht in den Kühlschrank
gestellt, sondern auf dem Küchenboden belassen. Dort lasse ich sie noch
eine Woche bei Raumtemperatur flaschengären und hoffe sie macht mir dort
kein Tümpelchen.
Getränk_IV:
In einem anderen, etwas kühleren Teil der Wohnung gären fünf Flaschen eines
Sudes nach ursprünglicher Anleitung, also ohne zusätzliche Melasse vor sich
hin (~18°C). Ich unke mal dass diese Version deutlich weniger bis keine
Bitterkeit aufweisen wird (die Melasse bringt diese mit in´s Spiel),
Alkohol zwar ähnlich Getränk_II enthalten, aber insgesamt milder, vieleicht
auch einfach flacher schmecken wird.
Planung:
- Eine Version VI, welche in der drucklosen Phase verbleibt, bis sie
tatsächlich den Zeitpunkt für die Nachgärung erreicht und welche dann auf
Flasche gezogen und so lange kühl (bei 10°C? (Vorschläge?)) gelagert wird,
bis vieleicht eine Milchsäuregärung stattfindet/stattgefunden hat. (Ich
denke es wird sich hier genau umgedreht wie in der Milch verhalten. In der
Milch überrennen zuerst die Milchsäurebakterien den geeigneteren Zucker,
danach kommen die Hefen gekrochen und liefern Geschmacksprofil nach.
In der Zucker/Ingwerbrühe dagegen werden die Milchsäurebakterien von den
Hefen an die Wand gedrückt und dürfen (wenn überhaupt sie was mit den
vorhandenen Zuckern noch anfangen können) erst den Finger heben wenn die
Hefen in Rente gegangen sind.)
- Eine Version VII, auch deren drucklose Phase bei niedrigen Temperaturen
stattfindet um zu schauen ob die untergärigen Hefen (von denen ich meine
dass sie anwesend sind, s.u.) ein anderes Aromaprofil vieleicht
erzeugen.
------
Allgemeine Beobachtungen zu dem Getränk/procedere:
- es wurden bisher 11 Ansätze gefahren. Die Gärung ist immer nach recht
genau 12h angekommen, die 50ml Starter von einem vorigen Ansatz sind also
(vor allem auch in Hinblick auf geringen verwendeten Volumina) sicher. Und
auch unter folgendem Gesichtspunkt:
- Das erzeugte Getränk schmeckt fast auf den Punkt mit jeder Charge
gleich.
- ist die Gärung angekommen, rennt sie sodann zügig los. Es bildet sich
schnell ein Schaum welcher so aussieht:
link
- Am Behälterboden sammelt sich im Laufe der drucklosen Phase eine ~ 4mm
hohe Schicht welche keine Ingwerstärke sein kann, bzw. nur
vernachlässigbar, weshalb ich diese Schicht wohl für untergärige Hefe(n)
halten darf?
------
Mikroorganismen:
In Kefirkulturen wurden bisher (grundsätzlich unvollständig) folgende
Mikroorganismen bestimmt (Aufzählung vereint aus verschiedenen Quellen),
wobei die Kulturen örtlich und zeitlich variabel, bestimmte
Hauptverdächtige aber immer vor Ort sind.
- Bakterien:
Acetobacter aceti
Acetobacter rasens
Lactobacillus acidophilus
Lactobacillus brevis (fähig die (anti-mikrobielle) Hopfenwirkung zu
unterdrücken)
Lactobacillus casei ssp. casei
Lactobacillus casei ssp. pseudoplantarum
Lactobacillus casei ssp. rhamnosus
Lactobacillus cellobiosus
Lactobacillus delbrueckii ssp. bulgaricus
Lactobacillus delbrueckii ssp. lactis
Lactobacillus fermentum
Lactobacillus fructivorans
Lactobacillus helveticus
Lactobacillus helveticus ssp. lactis
Lactobacillus hilgardii
Lactobacillus kefir
Lactobacillus kefiranofaciens
Lactobacillus kefiranofaciens ssp. kefiranofaciens
Lactobacillus kefiranofaciens ssp. kefirgranum
Lactobacillus lactis
Lactobacillus paracasei
Lactobacillus paracasei ssp. paracasei
Lactobacillus parakefiri
Lactobacillus plantarum
Lactococcus lactis
Lactococcus lactis ssp. cremoris
Lactococcus lactis ssp. lactis biovar. diacetylactis
Lactococcus lactis ssp. lactis
Leuconostoc mesenteroides ssp. cremoris
Leuconostoc mesenteroides ssp.dextranicum
Leuconostoc mesenteroides ssp. mesenteroides
Leuconostoc lactis
Enterococcus durans
Streptococcus lactis
Streptococcus paracitrovorus
Streptococcus salivarius ssp. thermophilus
Streptococcus thermophilus
- Hefen:
Brettanomyces anomalus - Dekkera anomala
Candida famata - Debaryomyces hansenii
Candida firmetaria - Pichia fermentans
Candida friedrichii
Candida glabrata
Candida humilis
Candida kefyr - Kluyveromyces marxianus
Candida krusei - Issatchenkia orientalis
Candida lipolytica - Yarrowia lipolytica
Candida marina
Candida rancens
Candida tenuis
Cryptococcus humicola
Debaryomyces occidentalis
Geotrichum candidum - Galactomyces geotrichum
Kluyveromyces bulgaricus
Kluyveromyces lodderae
Kluyveromyces marxianus var. marxianus
Kluyveromyces marxianus var. lactis
Saccharomyces cerevisiae
Saccharomyces exiguus
Saccharomyces humaticus
Saccharomyces kefir
Saccharomyces lactis
Saccharomyces pastorianus
Saccharomyces ssp. torulopsis holmii
Saccharomyces turicensis sp. nov
Saccharomyces unisporus
Torula kefir
Torulaspora delbrueckii
Zygosaccharomyces rouxii
Peter
[Editiert am 16.5.2013 um 12:56 von Eintracht Pruegel]
____________________
Danke für Deinen Beitrag! Du wirst nun zurück in Deine Zelle geleitet ...