Posting Freak Beiträge: 5714 Registriert: 16.8.2011 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 21.1.2012 um 18:04 |
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Wie war das früher eigentlich ?
Da verließen sich die Brauer noch sehr oft auf die Spontangärung. Ich weiß
aus diversen Publikationen, daß es durchaus üblich war, Äpfel oder Birnen
im Ganzen in die Würze zu werfen und dann auf die spontane Gärung durch die
auf dem Obst siedelnden wilden Hefen zu hoffen.
Dann, irgendwann, wurde der Hefepilz identifiziert und die Brauer erhielten
dadurch eine gewisse Betriebssicherheit, denn der Zufall war nicht mehr so
sehr maßgeblich für ein Gelingen des Bieres und - natürlich - auch des
Backwerks.
Sehr viel später - ich hab jetzt nicht wirklich recherchiert, aber ich
denke es dürfte wohl Ende des 19., Anfang des 20.Jahrhunderts gewesen sein
- ging man dann dazu über, Hefen speziell für das Brauen zu züchten und
gezielt Stämme zu kultivieren.
Soweit ok.
Nur, was ist mit dem Dazwischen ?
Mit der Zeit der ersten gezielten Kultivierung der Hefe und der
Spezialisierung der Hefen als Most- oder Brauhefen.
War es nicht so, daß in dieser Zeit das Back- und das Brauhandwerk
letztlich sich der selben Hefen bedienten ?
Und diese Frage führt mich dann weiter zu folgenden Fragen:
Müsste es nicht möglich sein, mit einer handelsüblichen Hefe (Backhefe /
Trockenhefe) gleichfalls Bier zu brauen ?
Ist es denn nicht so, daß die Brauhefen sich vor Allem durch ihre
Aromabildenden Eigenschaften von den sogenannten Backhefen abheben ?
Dürften dann nicht im Grunde genommen Biere, welche mit "normalen"
Backhefen vergoren werden, weniger von den Aromen der Bierhefen, denn mehr
von den eigenen Aromen leben ?
Was meint Ihr dazu ?
Hat da schon mal Jemand Versuche mit unternommen ?
Wäre es möglich ein Bier mit durchschnittlicher Stammwürze zwischen 11 und
12°P mit einer handelsüblichen Backhefe erfolgreich zu vergären ?
Wichtig: Bevor hier wieder ein Sturm emotional geladener Entrüstung los
bricht. Die Frage ist schlicht des Interesses halber um Grundsätzliches zu
klären. Es geht mir nicht darum, den Status der für das Brauen gezüchteten
Reinkulturen in Frage zu stellen. Ich selber bin froh, daß es Profis wie
die Blanche, die S-04 oder die Colonia-F gibt, welche uns helfen, das
Aromabild eines Bieres gezielt zu steuern.
Greets Udo ____________________ Botschafter der WBBBB in Hessen
Brauen ist die wahre Alchemie
Hobbybrauer. TrashHunters Leitfaden für Einsteiger.2014
Tredition Verlag
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Posting Freak Beiträge: 1307 Registriert: 1.12.2010 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 21.1.2012 um 18:10 |
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Antwort 1 |
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Moderator Beiträge: 9088 Registriert: 14.8.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 21.1.2012 um 18:32 |
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Antwort 2 |
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Posting Freak Beiträge: 5714 Registriert: 16.8.2011 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 21.1.2012 um 18:37 |
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Danke für Dein Bemühen Tazzy
Aha, ok. Das grenzt also schon mal die heutigen Back- von den Brauhefen ab.
OK.
Damit ist ein Teil meines Fragenkomplexes also geklärt und auch die Frage,
ob es mit "moderner" Backhefe möglich ist zu brauen, beantwortet. Zumindest
hinsichtlich der Aromen eines derarzigen Bieres.
Fehlt jetzt noch die Beantwortung des ursprünglichen Denkansatzes.
Was war vor der Spezialisierung ?
Und... fäält mir eben ein:
Sind derartige "unspezifische" Hefen noch verfügbar oder sind diese
unspezifischen Hefen einfach nur das, was wir heute als Backhefe kennen
?
Edit: René war schneller als ich. Danke
[Editiert am 21.1.2012 um 18:38 von TrashHunter]
____________________ Botschafter der WBBBB in Hessen
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Antwort 3 |
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Posting Freak Beiträge: 901 Registriert: 9.5.2006 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 21.1.2012 um 18:39 |
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Hallo, ich habe gerade das empfehlenswerte Buch "Der Bierzauberer" gelesen,
welches von einem Brauer geschrieben wurde, ein histor. Roman, recht
nett.
Darin wurde geschildert, dass es umgekehrt gewesen sein soll:
die Bäcker haben sich im frühen Mittelalter mit der Hefe (dem Zeug) der
Brauer versorgt, und haben sich nach Einführung der Hopfenwürzen bitter
beklagt wegen der Bittere.
Das liegt ja auch auf der Hand, beim Bäcker bleiben keine Hefegeläger
übrig. ____________________ Viele Grüße
Matthias H
"..was lange gärt, wird endlich gut!"
"..und immer schön ausgären lassen!"
Hausbräu seit 1986
.de seit 2006
Servicefragen zu MattMill bitte per E-Mail!
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Posting Freak Beiträge: 1307 Registriert: 1.12.2010 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 21.1.2012 um 18:43 |
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Habe das Buch auch gerade gelesen (lass mich raten die null Euro Kindle
version?) und ich gehe auch davon aus das die Hefen es leichter hatten am
Zuckerwasser anzuheften, als an einem Mehl. Dazu kommt ja auch noch die
fehlende Hygiene und und und.
Und gerne habe ich geholfen.
____________________
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Antwort 5 |
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Moderator Beiträge: 9432 Registriert: 12.11.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 21.1.2012 um 19:33 |
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Ich hab mal wo gelesen, dass man mit Backhefe ganz passables Hefeweizen
machen kann, für alle anderen Biere ist sie wohl geschmacklich vollkommen
indiskutabel.
Probieren würde ich es trotzdem nicht.
Da trink ich lieber ein 2-3 Flaschen Schneider Weisse und fütter den
Bodensatz mit billigem Oettinger Malzbier und hab ein astreines
Ergebnis.
Stefan
[Editiert am 21.1.2012 um 19:35 von Boludo]
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Antwort 6 |
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Posting Freak Beiträge: 1776 Registriert: 14.7.2004 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 23.1.2012 um 08:54 |
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Hallo,
ja, hier wurde schon öfters geschrieben, dass man von Backhefe beim Brauen
besser die Finger lassen sollte.
Auch der umgekehrte Versuch - mit Bierhefe Brot zu backen - klappte
zumindest bei uns nicht, das Brot war hart wie Stein. Tja, "Brauen und
Backen gelingen nicht immer" :-)
Bemerkenswert zu "Alter Väter Sitten" ist jedoch folgendes, sinngemäß aus
unserer Stadtchronik:
Wenn ein Braubürger selbst keine Zeit (oder Lust) zum Brauen hatte, so
konnte er sein Braulos an einen anderen verkaufen, der für Ihn dann den
Reihenschank mit übernahm.
Der Preis für ein Los betrug normalerweise 22 Taler, aber jetzt kommts: "Um
die Weihnachtszeit und um Pfingsten auch 30 Thaler, wegen dem guten
Geschäft mit der zu diesen Zeiten in größeren Mengen gebrauchten Backhefe".
Nach dieser Darstellung liefern also die Brauer den Bäckern die Hefe und
nicht wie man annehmen könnte andersherum!
Ich habe übrigens mal einen Versuch mt Wilder Gärung gemacht, das Bier war
trinkbar, aber nicht der Knaller. Sicher kommt es da auch viel auf das
jeweilige Hausklima an.
Grüße
Tino
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Antwort 7 |
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Posting Freak Beiträge: 739 Registriert: 14.9.2010 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 23.1.2012 um 10:39 |
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Ich habe vor einiger Zeit mal versuchweise die Schneider-Aventinus-Hefe
gestrippt und kurz darauf wie im Thread " http://hobbybrauer.de/modules.php?name=eBoard&file=viewthread
&fid=11&tid=12026&page=2&orderdate=ASC" (Antwort 31) beschrieben einen
neuen Sauerteig angesetzt. Dieser Sauerteig hat jetzt einen eindeutig
bananigen Geruch. Ich vermute mal das da noch einige der Hefen in meiner
Küche unterwegs waren und sich in meinem Sauerteigansatz sehr wohl gefühlt
haben...
Meine Meinung:
Im Mittelalter waren die Menschen sicher nicht so technisiert und von so
wissenschaftlichem Denken geprägt wie wir, aber dumm waren die nicht. Wenn
die Brauer den Bäckern die Hefe geliefert haben, dann war denen klar das
das Zeugs irgendwas macht das dem Brot guttut. Und wenn die das wusten,
dann werden die auch geahnt haben das das im Bier nicht so schlecht ist.
Weiterhin wurden die Gärgefäße wahrscheinlich nicht sterilisiert worden
sein, daher dürfte eh noch einige Hefe aus vergangenen Suden in den
Holzfässerns geruht haben. Lurz: So spontan und wild wird in einer Brauerei
die Gärung nie verlaufen weil sich immer bestimmte Hefen ansiedeln...
Wenn das Bier dann trotzdem sauer wurde dann bestimmt weil wenig Hefe
einfach länger braucht um richtig anzukommen und in der Zeit (in offenen
Gefäßen) die Infektionsgefahr natürlich groß ist. Aber mit langsam
ankommender Gärung kämpfen ja selbst wir "modernen" Brauer trotz unseres
Wissens und komerzieller Zuchthefen manchmal.
Gruß
J.
[Editiert am 23.1.2012 um 10:43 von Wizzzz]
____________________ Ein gutes Bier, maßvoll genossen, schadet auch in großen Mengen nicht...
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Antwort 8 |
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Posting Freak Beiträge: 757 Registriert: 16.1.2012 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 23.1.2012 um 11:24 |
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Also, ich muss da jetzt mal meinen Senf dazugeben.
Als Enkel eines Brauereibesitzers teile ich gerne meinen Fundus an
wunderlichen Geschichten - oder zumindest was davon übrig ist nach
übermäßigen Wodkagenuss - mit den Bewohnern dieses Forums.
Nach dem zweiten großen Krieg gab es eine Zeit, in der gab es kein
Biermalz, keine Hefe, nur Hopfen (und der war bitter geworden). Mein
Großvater produzierte daraufhin aus Kaffeemalz und Bäckerhefe vorzügliches
Bier, das sich nur darin unterschied, dass es quasi binnen weniger Tage
getrunken werden musste und nicht Transportfähig war. Angeblich knallten
die Korken von selbst aus den Falschen, wenn man es nicht rasch genug
trank. Mein Vater hat mir bestätigt, dass das Bier allen mundete (wobei man
später wieder "richtig" braute und niemand mehr nach dem Kaffeemalzbier
fragte. Vermutlich war es also doch nicht so gut.).
Jedenfalls: Es funktioniert, aus Bäckerhefe etwas trinkbares herzustellen.
Aber besonders Sinnvoll ist es nicht.
____________________ "Der braut sich was!"
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Antwort 9 |
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Senior Member Beiträge: 178 Registriert: 7.9.2011 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 23.1.2012 um 12:12 |
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Ich habe am Samstag ein Brot mit einer geernteten Nottingham gebacken. Die
Stand seit einer Woche im Kühlschrank, es waren knappe 100ml Bodensatz.
Diese hab ich mit nochmal 100 ml Pilswürze verrührt und im warmen Wasserbad
recht schnell auf etwas über Raumtemperatur gebracht. In der Zwischenzeit
hab ich dann im Brotbackautomaten je 300g Roggen und Weizenmehl +
Restzutaten eingefüllt. In meinem Rezept ist auch immer noch ein Esslöffel
Zucker als Futter für die Hefe enthalten. Die 100ml Würze hab ich von der
Wassermenge abgezogen. Dann die Hefe rein, Programm gestartet und mich
anderen Dingen zugewandt. Und es ist tatsächlich ein Brot rausgekommen.
Ganz so toll aufgegangen wie mit Trockenbackhefe ist es nicht, aber das
kann auch am zu späten Aufwecken liegen. Die Kruste ist oben stärker
aufgeplatzt als sonst, also war die Hefe beim Backen noch akiv und hätte
vermutlich noch etwas mehr gekonnt. Man kann auch zwischen Kneten und
Backen noch eine Aufgehpause einlegen. Besser als meine Sauerteigversuche
ist es allemal. Geschmacklich ist es super, der Geruch ein wenig mehr hefig
als sonst, hab ich aber auch früher nie drauf geachtet. Bitter ist es
nicht.
Fazit: Ich werds wohl wieder tun, beim nächsten mal vielleicht in einem
Treberbrot.
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Antwort 10 |
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Posting Freak Beiträge: 2795 Registriert: 2.9.2003 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 23.1.2012 um 12:24 |
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So bin ich übrigens zum Bierbrauen gekommen:
Chemiebuch der 10. Klasse mit einem Versuch zum Bierbrauen. Zutaten:
Malzkaffee, (Zucker), Hopfentee und Backhefe. Naja, gegoren hat es ... Ein
Apfelwein mit Backhefe vergoren war dann schon eher trinkbar. Allerdings
nach zweifacher Hefeabtrennung (Sedimentation). Dann folgten die ersten
Versuche mit wildem Hopfen und selbstgemachtem Malz, ebenfalls mit Backhefe
vergoren. Das Bier war erstaunlich trinkbar, aber "knallrot".
Wahrscheinlich habe ich Melanoidinmalz hergestellt
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Antwort 11 |
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Administrator Beiträge: 1068 Registriert: 29.3.2007 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 23.1.2012 um 14:08 |
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Ich habe schon mehrmals mit
geernteter Hefe und dem Rest Jungbier, der beim Abfüllen noch im Gäreimer
zurückbleibt, Treberbrot gebacken — ging (in doppelter Hinsicht)
einwandfrei.
Zitat von Kurt, am 23.1.2012 um
12:24 | Dann folgten die ersten Versuche mit
wildem Hopfen und selbstgemachtem Malz, ebenfalls mit Backhefe vergoren.
Das Bier war erstaunlich trinkbar, aber
"knallrot". |
Wenn Ihr den wilden Hopfen
ungetrocknet verwendet habt, lag es evtl. auch daran. Hopfentee aus
frischem Hopfen hat eine ziemlich rote Farbe.
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Antwort 12 |
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