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Autor: Betreff: Überlegung zu alter Väter Sitten
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TrashHunter
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red_folder.gif erstellt am: 21.1.2012 um 18:04  
Wie war das früher eigentlich ?

Da verließen sich die Brauer noch sehr oft auf die Spontangärung. Ich weiß aus diversen Publikationen, daß es durchaus üblich war, Äpfel oder Birnen im Ganzen in die Würze zu werfen und dann auf die spontane Gärung durch die auf dem Obst siedelnden wilden Hefen zu hoffen.
Dann, irgendwann, wurde der Hefepilz identifiziert und die Brauer erhielten dadurch eine gewisse Betriebssicherheit, denn der Zufall war nicht mehr so sehr maßgeblich für ein Gelingen des Bieres und - natürlich - auch des Backwerks.
Sehr viel später - ich hab jetzt nicht wirklich recherchiert, aber ich denke es dürfte wohl Ende des 19., Anfang des 20.Jahrhunderts gewesen sein - ging man dann dazu über, Hefen speziell für das Brauen zu züchten und gezielt Stämme zu kultivieren.

Soweit ok.
Nur, was ist mit dem Dazwischen ?
Mit der Zeit der ersten gezielten Kultivierung der Hefe und der Spezialisierung der Hefen als Most- oder Brauhefen.
War es nicht so, daß in dieser Zeit das Back- und das Brauhandwerk letztlich sich der selben Hefen bedienten ?

Und diese Frage führt mich dann weiter zu folgenden Fragen:
Müsste es nicht möglich sein, mit einer handelsüblichen Hefe (Backhefe / Trockenhefe) gleichfalls Bier zu brauen ?
Ist es denn nicht so, daß die Brauhefen sich vor Allem durch ihre Aromabildenden Eigenschaften von den sogenannten Backhefen abheben ?
Dürften dann nicht im Grunde genommen Biere, welche mit "normalen" Backhefen vergoren werden, weniger von den Aromen der Bierhefen, denn mehr von den eigenen Aromen leben ?

Was meint Ihr dazu ?
Hat da schon mal Jemand Versuche mit unternommen ?
Wäre es möglich ein Bier mit durchschnittlicher Stammwürze zwischen 11 und 12°P mit einer handelsüblichen Backhefe erfolgreich zu vergären ?

Wichtig: Bevor hier wieder ein Sturm emotional geladener Entrüstung los bricht. Die Frage ist schlicht des Interesses halber um Grundsätzliches zu klären. Es geht mir nicht darum, den Status der für das Brauen gezüchteten Reinkulturen in Frage zu stellen. Ich selber bin froh, daß es Profis wie die Blanche, die S-04 oder die Colonia-F gibt, welche uns helfen, das Aromabild eines Bieres gezielt zu steuern.

Greets Udo


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Brauen ist die wahre Alchemie :P
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tazzyminator
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red_folder.gif erstellt am: 21.1.2012 um 18:10  
Profil anzeigen E-mail senden Antwort 1
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flying
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red_folder.gif erstellt am: 21.1.2012 um 18:32  
Hi Udo,

ich empfehle das Studium alter Braubücher, um hinter die alten Sitten zu kommen... :D


schau mal in diesen Fred.


http://hobbybrauer.de/modules.php?name=eBoard&file=viewthread &fid=1&tid=7752&page=1&orderdate=ASC


Da findest Du klasse Links zu vollständigen uralten Braubüchern, teilweise von vor 1800...


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"Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
(John Ciardi)
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TrashHunter
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red_folder.gif erstellt am: 21.1.2012 um 18:37  
Danke für Dein Bemühen Tazzy :)

Aha, ok. Das grenzt also schon mal die heutigen Back- von den Brauhefen ab. OK.
Damit ist ein Teil meines Fragenkomplexes also geklärt und auch die Frage, ob es mit "moderner" Backhefe möglich ist zu brauen, beantwortet. Zumindest hinsichtlich der Aromen eines derarzigen Bieres.

Fehlt jetzt noch die Beantwortung des ursprünglichen Denkansatzes.
Was war vor der Spezialisierung ?
Und... fäält mir eben ein:
Sind derartige "unspezifische" Hefen noch verfügbar oder sind diese unspezifischen Hefen einfach nur das, was wir heute als Backhefe kennen ?

Edit: René war schneller als ich. Danke :)


[Editiert am 21.1.2012 um 18:38 von TrashHunter]



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Matthias H
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red_folder.gif erstellt am: 21.1.2012 um 18:39  
Hallo, ich habe gerade das empfehlenswerte Buch "Der Bierzauberer" gelesen, welches von einem Brauer geschrieben wurde, ein histor. Roman, recht nett.
Darin wurde geschildert, dass es umgekehrt gewesen sein soll:
die Bäcker haben sich im frühen Mittelalter mit der Hefe (dem Zeug) der Brauer versorgt, und haben sich nach Einführung der Hopfenwürzen bitter beklagt wegen der Bittere.
Das liegt ja auch auf der Hand, beim Bäcker bleiben keine Hefegeläger übrig.


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Viele Grüße
Matthias H

"..was lange gärt, wird endlich gut!"
"..und immer schön ausgären lassen!"
Hausbräu seit 1986
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Servicefragen zu MattMill bitte per E-Mail!
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tazzyminator
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red_folder.gif erstellt am: 21.1.2012 um 18:43  
Habe das Buch auch gerade gelesen (lass mich raten die null Euro Kindle version?) und ich gehe auch davon aus das die Hefen es leichter hatten am Zuckerwasser anzuheften, als an einem Mehl. Dazu kommt ja auch noch die fehlende Hygiene und und und.

Und gerne habe ich geholfen.


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Moderator
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Boludo
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red_folder.gif erstellt am: 21.1.2012 um 19:33  
Ich hab mal wo gelesen, dass man mit Backhefe ganz passables Hefeweizen machen kann, für alle anderen Biere ist sie wohl geschmacklich vollkommen indiskutabel.
Probieren würde ich es trotzdem nicht.
Da trink ich lieber ein 2-3 Flaschen Schneider Weisse und fütter den Bodensatz mit billigem Oettinger Malzbier und hab ein astreines Ergebnis.

Stefan


[Editiert am 21.1.2012 um 19:35 von Boludo]
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tinoquell
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red_folder.gif erstellt am: 23.1.2012 um 08:54  
Hallo,

ja, hier wurde schon öfters geschrieben, dass man von Backhefe beim Brauen besser die Finger lassen sollte.
Auch der umgekehrte Versuch - mit Bierhefe Brot zu backen - klappte zumindest bei uns nicht, das Brot war hart wie Stein. Tja, "Brauen und Backen gelingen nicht immer" :-)

Bemerkenswert zu "Alter Väter Sitten" ist jedoch folgendes, sinngemäß aus unserer Stadtchronik:
Wenn ein Braubürger selbst keine Zeit (oder Lust) zum Brauen hatte, so konnte er sein Braulos an einen anderen verkaufen, der für Ihn dann den Reihenschank mit übernahm.
Der Preis für ein Los betrug normalerweise 22 Taler, aber jetzt kommts: "Um die Weihnachtszeit und um Pfingsten auch 30 Thaler, wegen dem guten Geschäft mit der zu diesen Zeiten in größeren Mengen gebrauchten Backhefe".

Nach dieser Darstellung liefern also die Brauer den Bäckern die Hefe und nicht wie man annehmen könnte andersherum!


Ich habe übrigens mal einen Versuch mt Wilder Gärung gemacht, das Bier war trinkbar, aber nicht der Knaller. Sicher kommt es da auch viel auf das jeweilige Hausklima an.

Grüße
Tino
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Wizzzz
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Geschlecht: männlich
red_folder.gif erstellt am: 23.1.2012 um 10:39  
Ich habe vor einiger Zeit mal versuchweise die Schneider-Aventinus-Hefe gestrippt und kurz darauf wie im Thread "http://hobbybrauer.de/modules.php?name=eBoard&file=viewthread &fid=11&tid=12026&page=2&orderdate=ASC" (Antwort 31) beschrieben einen neuen Sauerteig angesetzt. Dieser Sauerteig hat jetzt einen eindeutig bananigen Geruch. Ich vermute mal das da noch einige der Hefen in meiner Küche unterwegs waren und sich in meinem Sauerteigansatz sehr wohl gefühlt haben...

Meine Meinung:
Im Mittelalter waren die Menschen sicher nicht so technisiert und von so wissenschaftlichem Denken geprägt wie wir, aber dumm waren die nicht. Wenn die Brauer den Bäckern die Hefe geliefert haben, dann war denen klar das das Zeugs irgendwas macht das dem Brot guttut. Und wenn die das wusten, dann werden die auch geahnt haben das das im Bier nicht so schlecht ist. Weiterhin wurden die Gärgefäße wahrscheinlich nicht sterilisiert worden sein, daher dürfte eh noch einige Hefe aus vergangenen Suden in den Holzfässerns geruht haben. Lurz: So spontan und wild wird in einer Brauerei die Gärung nie verlaufen weil sich immer bestimmte Hefen ansiedeln... Wenn das Bier dann trotzdem sauer wurde dann bestimmt weil wenig Hefe einfach länger braucht um richtig anzukommen und in der Zeit (in offenen Gefäßen) die Infektionsgefahr natürlich groß ist. Aber mit langsam ankommender Gärung kämpfen ja selbst wir "modernen" Brauer trotz unseres Wissens und komerzieller Zuchthefen manchmal.

Gruß
J.


[Editiert am 23.1.2012 um 10:43 von Wizzzz]



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Ein gutes Bier, maßvoll genossen, schadet auch in großen Mengen nicht...
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WodkaFan
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red_folder.gif erstellt am: 23.1.2012 um 11:24  
Also, ich muss da jetzt mal meinen Senf dazugeben.
Als Enkel eines Brauereibesitzers teile ich gerne meinen Fundus an wunderlichen Geschichten - oder zumindest was davon übrig ist nach übermäßigen Wodkagenuss - mit den Bewohnern dieses Forums.

Nach dem zweiten großen Krieg gab es eine Zeit, in der gab es kein Biermalz, keine Hefe, nur Hopfen (und der war bitter geworden). Mein Großvater produzierte daraufhin aus Kaffeemalz und Bäckerhefe vorzügliches Bier, das sich nur darin unterschied, dass es quasi binnen weniger Tage getrunken werden musste und nicht Transportfähig war. Angeblich knallten die Korken von selbst aus den Falschen, wenn man es nicht rasch genug trank. Mein Vater hat mir bestätigt, dass das Bier allen mundete (wobei man später wieder "richtig" braute und niemand mehr nach dem Kaffeemalzbier fragte. Vermutlich war es also doch nicht so gut.).

Jedenfalls: Es funktioniert, aus Bäckerhefe etwas trinkbares herzustellen. Aber besonders Sinnvoll ist es nicht.


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"Der braut sich was!"
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mcgyver2k
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red_folder.gif erstellt am: 23.1.2012 um 12:12  
Ich habe am Samstag ein Brot mit einer geernteten Nottingham gebacken. Die Stand seit einer Woche im Kühlschrank, es waren knappe 100ml Bodensatz. Diese hab ich mit nochmal 100 ml Pilswürze verrührt und im warmen Wasserbad recht schnell auf etwas über Raumtemperatur gebracht. In der Zwischenzeit hab ich dann im Brotbackautomaten je 300g Roggen und Weizenmehl + Restzutaten eingefüllt. In meinem Rezept ist auch immer noch ein Esslöffel Zucker als Futter für die Hefe enthalten. Die 100ml Würze hab ich von der Wassermenge abgezogen. Dann die Hefe rein, Programm gestartet und mich anderen Dingen zugewandt. Und es ist tatsächlich ein Brot rausgekommen. Ganz so toll aufgegangen wie mit Trockenbackhefe ist es nicht, aber das kann auch am zu späten Aufwecken liegen. Die Kruste ist oben stärker aufgeplatzt als sonst, also war die Hefe beim Backen noch akiv und hätte vermutlich noch etwas mehr gekonnt. Man kann auch zwischen Kneten und Backen noch eine Aufgehpause einlegen. Besser als meine Sauerteigversuche ist es allemal. Geschmacklich ist es super, der Geruch ein wenig mehr hefig als sonst, hab ich aber auch früher nie drauf geachtet. Bitter ist es nicht.

Fazit: Ich werds wohl wieder tun, beim nächsten mal vielleicht in einem Treberbrot.
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Kurt
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red_folder.gif erstellt am: 23.1.2012 um 12:24  
So bin ich übrigens zum Bierbrauen gekommen:

Chemiebuch der 10. Klasse mit einem Versuch zum Bierbrauen. Zutaten: Malzkaffee, (Zucker), Hopfentee und Backhefe. Naja, gegoren hat es ... Ein Apfelwein mit Backhefe vergoren war dann schon eher trinkbar. Allerdings nach zweifacher Hefeabtrennung (Sedimentation). Dann folgten die ersten Versuche mit wildem Hopfen und selbstgemachtem Malz, ebenfalls mit Backhefe vergoren. Das Bier war erstaunlich trinkbar, aber "knallrot". Wahrscheinlich habe ich Melanoidinmalz hergestellt ;)
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rmax
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red_folder.gif erstellt am: 23.1.2012 um 14:08  

Zitat von tinoquell, am 23.1.2012 um 08:54
Auch der umgekehrte Versuch - mit Bierhefe Brot zu backen - klappte zumindest bei uns nicht, das Brot war hart wie Stein.

Ich habe schon mehrmals mit geernteter Hefe und dem Rest Jungbier, der beim Abfüllen noch im Gäreimer zurückbleibt, Treberbrot gebacken — ging (in doppelter Hinsicht) einwandfrei.

Zitat von Kurt, am 23.1.2012 um 12:24
Dann folgten die ersten Versuche mit wildem Hopfen und selbstgemachtem Malz, ebenfalls mit Backhefe vergoren. Das Bier war erstaunlich trinkbar, aber "knallrot".

Wenn Ihr den wilden Hopfen ungetrocknet verwendet habt, lag es evtl. auch daran. Hopfentee aus frischem Hopfen hat eine ziemlich rote Farbe.
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