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Board Index > > Maischen > Doppeltes Springmaischverfahren mit Dekoktion für kernige Leichtbiere |
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Posting Freak Beiträge: 2084 Registriert: 28.10.2009 Status: Offline
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erstellt am: 6.2.2012 um 09:05 |
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Ihr mögt mich gerne für wahnsinnig halten, aber ich bin ein überzeugter
Anhänger der klassischen Dekoktionsverfahren; unter ein bis zwei
Kochmaischen kommt mir kein Bier auf die Hefe... Nun wollte ich mich, weil
sich wiederholt meine Gäste vom Alkoholgehalt meiner Biere überfordert
sahen, einmal an einem möglichst geschmackreichen Leichtbier probieren, dem
man seinen geringeren Alkoholgehalt nicht gleich anmerken soll. Also in
etwa der gleiche Ansatz wie:
Zitat von Uwe12, am 11.12.2011 um
21:21 | Ich habe mal was ähnliches probiert,
ein Leichtbier aber ohne Springmaische, indem ich von der 57°C-Eiweißrast
direkt bis 72°C durchgeheizt habe. Die Kombination mit niedriger Stammwürze
(so um 9) und einer Hefe mit geringem Vergärgrad (S-33) hat ein sogar
passables Bier hervorgebracht. Wenn ich dabei auch viel Cara, dunkle
Basismalze und einen besonders aromatischen Hopfen verwendet habe
(Cascade). ...eben alles genutzt, was irgendwie Geschmack
bringt. |
Ich wollte aber nun ganz bewusst
mindestens eine kräftige Dekoktion als zusätzliche geschmackgebende
Komponente einbauen. Aber wie passt so etwas mit einem für alkoholarme
Biere empfohlenen Springmaischverfahren (wo die Maische idR durch Zubrühen
kochenden Wassers die 62°er-Rast überspringt) zusammen?
Verfahren
Die Idee meines doppelten Springmaisch-Dekoktionsverfahrens besteht darin,
durch eine Dekoktion von ca. 50% des Volumens die Bottichmaische von ca.
45°C direkt auf Verzuckerungstemperatur von ca. 72°C springen zu lassen.
Nun muss aber auch diese Kochmaische während ihres Aufheizens den
Temperaturbereich der beta-Amylasen überspringen, was wie beim normalen
Springmaischverfahren durch Zubrühen kochenden Wassers geschehen kann.
Damit sah das Ganze bei mir dann ungefähr so aus (für ca 45 l Bier):
Zunächst die ganze Schüttung (5,5 kg WieMa, 1,0 kg Cara hell) auf nur ca.
3/4 des späteren Gesamt-Maischevolumens in der Pfanne einmaischen (mit 17 l
Wasser 50°C, gibt 46°C), nach 20 min Rast davon ca. 2/3 in den Bottich
umlagern.
Ca. 1/3 (8 l) als Dickmaische in der Pfanne liegenlassen, die etwa gleiche
Menge kochendes Wassers (9 l) zubrühen, gibt 72°C, 20 min verzuckern und 30
min ausgiebig kochen. Dann die im isolierten Bottich zwischengelagerte
Dünnmaische zumischen, wodurch sich abermals 72°C Verzuckerungstemperatur
einstellen, und nach einer langen Verzuckerungsrast von 35 min zur
Abmaischtemperatur 78°C hochziehen.
Ich denke, an folgendem Diagramm wird das etwas klarer:
Mit 26 l Nachguss kam ich auf P10. Gehopft wurde mit Citra (2/3 als VWH,
1/3 im Whirlpool) auf 22 IBU. Mit einer einmal geführten, gut eingerittenen
W34/70 vergor das Ganze bei 12°C zügig von P10 auf P3,5, was einem
scheinbaren EVG von 65%, einem tatsächlichen EVG von 53% und einem
Alkoholgehalt von 3,5 Vol % entspricht.
Ich hätte gefühlsmäßig fast einen noch niedrigeren EVG erwartet, hat doch
die Maische nie Temperaturen in den 60ern gesehen! Andererseits schreibt
auch Narziss bei alkoholarmen Bieren, beid denen per Springmaische die
beta-Amylaserast übersprungen wurde, von scheinbaren EVGs von 68-72%. Passt
also.
Ein eindrücklicher Beleg für das Sprüchlein "Bier wirds immer", also auch,
wenn die Maltoserast bewusst oder unbewusst komplett überfahren wird!
Ergebnis
Und so sieht das ganze nach 4 Wochen aus. Farbe ist ein schönes helles
Kupfer. Schon bein Abfüllen nach der Hauptgärung war das Bier ungewöhnlich
klar, mittlerweile sieht es fast wie filtriert aus.
Natürlich hat man nicht den Mund so "voll Bier" wie bei einem stärkeren
Exmeplar. Dennoch halte ich es für eins meiner rundesten und ausgewogensten
Biere. Süß wirkt es überhaupt nicht, und der Hopfen ist genau richtig,
damit er zwar durchkommt, aber den Abgang nicht neben den deutlichen
getreidigen Aromen dominiert. Der Citra macht es sehr erfrischend, und
wahrscheinlich wäre es ein gutes, leicht als Abkühlung zu trinkendes
Sommerbier, das sicher auch damentauglich wäre.
Fazit
Daher habe ich es bestimmt nicht zum letzen Mal gebraut, wobei ich gerade
überlege, ob sich nicht das Verfahren auch sehr gut für ein mal leichteres
Stout mit geringem Endvrgärungsgrad eignen würde. Dann würde es sich
anbieten, den Rohfruchtanteil erst nach dem Teilen der Maische zur
Kochmaische zuzumischen.
Gruß, Moritz ____________________ Glaubte ich an die Reinkarnation, so wollte ich als Hefepilz wiedergeboren
werden.
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Posting Freak Beiträge: 1776 Registriert: 14.7.2004 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 6.2.2012 um 09:43 |
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Hallo Moritz!
Das ist ja ein interessantes Verfahren und ein toller Bericht!
Herzlichen Dank, das werde ich bestimmt auch mal testen!
"Leichtbiere" finde ich ein hochspanendes Thema und da ist dieser Beitrag
von dir eine echte Bereicherung!
Viele Grüße
Tino
P.S. das Bier sieht lecker aus.
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Antwort 1 |
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Moderator Beiträge: 4922 Registriert: 5.4.2005 Status: Offline
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erstellt am: 6.2.2012 um 09:48 |
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Ein schöner Bericht! Und mit Leichtbieren wird leider nur wenig
experimentiert.
Bei der W-34/70 habe ich in der Lagerung mal einen geringfügigen Abbau der
Restsüße gemerkt.
Da wäre interessant, wenn Du Dir vom Leichtbier eine kleine Menge länger
lagerst, ob das da auch passiert.
Uwe
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Antwort 2 |
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Moderator Beiträge: 4024 Registriert: 7.4.2006 Status: Offline
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erstellt am: 6.2.2012 um 10:46 |
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Prima Idee. Ich hatte ja auch schon mit zwei Leichtbieren experimentiert,
aber immer ein Problem, die 60er Temperaturen wirklich zügig zu überfahren,
ohne die Maische zu sehr zu verdünnen. Heizen ist zu langsam, und mit
reinem Zubrühen kommt man auf zuviel Wasser. Die Dekoktion mit Infusion in
der Teilmaische könnte das Dilemma lösen.
____________________ Gruß vom Berliner
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Antwort 3 |
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Moderator Beiträge: 2659 Registriert: 24.8.2007 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 6.2.2012 um 11:55 |
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Vielen Dank Moritz,
ein Superbericht über ein Thema, das ich schon lange angehen wollte. Mit
deiner Pionierarbeit werde ich mich im Mai an eine Kopie wagen.
Vielleicht kannst du in einigen Wochen abschließend nochmals urteilen, was
du beim nächsten Mal besser machen würdest. Ich denke hier in erster Linie
an die Hopfung.
Grüße
Hans
____________________ "Oh Bier, manchmal reichst du mir!"
Alfred Katzka
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Antwort 4 |
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Posting Freak Beiträge: 2942 Registriert: 29.4.2010 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 6.2.2012 um 20:58 |
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Danke Moritz,
super Bericht und ich werde es probieren!
Geniales Verfahren
Gruß Volco
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Antwort 5 |
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Moderator Beiträge: 2659 Registriert: 24.8.2007 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 31.7.2012 um 10:50 |
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- staubwegpuuuust -
Hallo Moritz,
könntest du ein kurzes Resumé über dein Leichtbier noch hier reinstellen ?
Natürlich auch über evtl. Verbesserungen bei einem zweiten Versuch. Vielen
Dank !
Grüße
Hans
____________________ "Oh Bier, manchmal reichst du mir!"
Alfred Katzka
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Antwort 6 |
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Posting Freak Beiträge: 2084 Registriert: 28.10.2009 Status: Offline
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erstellt am: 31.7.2012 um 11:50 |
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Hust! Hust! *wedel*
Das Kurzfazit wäre, dass ich es immer noch für eins meines besten bisher
gebrauten Biere halte, wenn nicht sogar das beste. Und auf jeden Fall das
mit der höchsten Drinkability. Wie angekündigt ein wunderbares
Sommerbier, leider haben wir die letzten Restbestände letztes WE beim
Kanufahren auf der Altmühl weggemacht...
Auch nach einem halben Jahr noch tadellos!
An der Schüttung und an der Hopfung würde ich überhaupt nichts ändern, das
war voll auf den Punkt. Das irrsinnige Maischverfahren beurteile ich
rückblickend etwas distanzierter. Hat es doch gerade nicht das erreicht,
wofür es eigentlich ersonnen wurde: Ein Bier mit hoher Restsüße zu
produzieren. Ganz im Gegenteil, das Ergebnis ist ausgesprochen schlank und
trocken, was ihm aber nicht zum Nachteil gereicht: Vielleicht gerade
deswegen wirkt es so "erwachsen".
In der Fotostrecke von Hallertau Info seht Ihr übrigens Dr. Fritz Briem bei der
Rezension des Maischverfahrens:
Auch sein Fazit war, dass ich "mit viel Mühe eigentlich das Gegenteil von
dem erreicht hätte, was ich eigentlich gewollt hatte." Offenbar sind durch
das lange und intensive Maischen eben doch einigermaßen viele vergärbare
Zucker entstanden. Aber wie es so oft mit derartigen Zufallstreffern ist:
Ein ausgesprochen leckeres Bier war dabei herausgekommen! Wobei ich jetzt
nicht sage, dass das mit einem einfacheren, normaleren Maischverfahren
nicht auch möglich gewesen wäre.
Moritz
Edith sagt, hier gibt es auch noch einen
Verkostungsbericht von einem (hoffentlich neutralen) Dritten.
[Editiert am 31.7.2012 um 12:02 von Bierjunge]
____________________ Glaubte ich an die Reinkarnation, so wollte ich als Hefepilz wiedergeboren
werden.
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Antwort 7 |
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Posting Freak Beiträge: 1512 Registriert: 15.5.2012 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 31.7.2012 um 12:01 |
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Welch Zufall! Ich bin auch gerade auf der Suche nach einem leckeren
leichten Sommerbier. Hatte zuerst an ein Blond Ale mit ca. 4% gedacht.
Dekoktion ist mir als Anfänger noch ein bisschen zuviel des guten, ich
möchte aber per Infusion maischen.
Kann mir jemand den Grund für das Überspringen der 60° erklären?
Kurz mein Rezept für 45 Liter:
7kg Pilsner Malz
10 Min. 57°
90 Min. 66°
10 Min. 76°
oder alternativ:
6kg Pilsner Malz
1 kg Polenta
10 Min. 55°
30 Min. 62°
30 Min. 72°
Abmaischen 78°
Über den Hopfen habe ich noch nicht nachgedacht.
Als Hefe käme Danstar Nottingham oder Windsor Ale in Frage...
Danke für Eure Tips!
Gruß,
Bierwisch
____________________ Der Klügere kippt nach!
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Antwort 8 |
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Posting Freak Beiträge: 2084 Registriert: 28.10.2009 Status: Offline
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erstellt am: 31.7.2012 um 12:12 |
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Den
Endvergärungsgrad zu senken, indem man den beta-Amylasen (und die haben ihr
Wirkoptimum bei 62°C) möglichst wenig Gelegenheit bietet, vergärbare
Maltose zu bilden. Stattdessen betont man die von der alpha-Amylase bei
höheren Temperaturen gebildeten Dextrine, die das Bier vollmundig machen,
aber eben nicht zu Alkohol vergären.
Um dies zu erreichen, ist in Deinem ersten Vorschlag die Kombirast mit 66°C
noch zu tief und/oder mit 90' zu lang. Geh für einen niedrigen EVG lieber
auf 68°C, oder gleich über 70°C.
Siehe dazu auch das von Brunnenbräu hier gepostete
Grätzer-Originalrezept, wo auch direkt auf 72°C gegangen wird,
ebenfalls im Sinne eines niedrig vergorenen Leichtbiers.
Und im zweiten Vorschlag fährst Du die 62°C ja direkt an, da entsteht auch
in 30' jede Menge Maltose. ____________________ Glaubte ich an die Reinkarnation, so wollte ich als Hefepilz wiedergeboren
werden.
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Antwort 9 |
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Moderator Beiträge: 9432 Registriert: 12.11.2008 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 31.7.2012 um 12:55 |
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Ich hab grad auch ein leichtes Sommerale mit ca 4,2% Alkohol fabriziert.
Ca 30% Münchner, 30% Pilsner und 40% Pale Ale Malz sorgen für einen schönen
Malzkörper. 11,5°P mit S-33 vergoren machen nicht viel Alkohol und das Bier
hat trotzdem eine schöne Restsüße.
Das ganze natürlich noch hopfengestopft mit knapp 40 IBU macht richtig
Laune, endlich mal ein Bier, von dem man größere Mengen trinken kann
Stefan
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Antwort 10 |
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Senior Member Beiträge: 197 Registriert: 15.10.2010 Status: OfflineGeschlecht:
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erstellt am: 31.7.2012 um 15:31 |
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Interessanter Beitrag !
Ich habe auch vor kurzem ein Sommerbier mit der S33 gemacht, bin allerdings
auf 10,9 StW runter und habe mit einer 15 Min 62er, 25 Min 67er und 20 Min
72er Rast einen EVG von 77% erzielt. In Summe ein süffiges, Bier, bei dem
nach der ersten Halben noch kaum Alkohol spürbar ist..
Zu deinem Maischen: durch die lange 45 Grad- Verweildauer bildet sich sehr
stark die Glucanose aus, die aber die unverkleisterte Malzstärke nicht
angreifen kann. Dadurch entsteht aus der gekochten Erstmaische etwas
Glukose, bei deinem Maischverfahren aber nur wenig, weil es sehr schnell
beim 1. Zubrühen zu heiß für die Glukanose wird.
Jedenfalls wird die Beta-Amylase bei 45 Grad auch SCHON aktiv. Die 63 Grad
sind ja das Optimum, und darüber hinaus wird sie sehr schnell ab 70 Grad
zerstört. Unterhalb des Temperaturoptimums lässt die Wirksamkeit ungleich
langsamer nach, ohne Kunze und Co zur Hand zu haben schätze ich mal eine
25% Aktivität bei 45 Grad. Durch die lange Einwirkzeit werden sich das
schon ein paar Maltosen von den längen Stärkeketten lösen.
Ich vermute, zur gänzlichen Minimierung der vergärbaren Zucker solltest du-
ähnlich dem Earl-Verfahren- nur einen Teil der Schüttung und HG maischen
und Kochen, und das in eine erst kurz zuvor eingemaischen Rest zubrühen.
lG
Peter
____________________ *-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
"Coquo, ergo sum" (zit. PeterR)
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Antwort 11 |
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